Gibt es ein Thema, das Sie persönlich am meisten beschäftigt?
Jürgen Gleichauf: Die Komplexität unserer Lieferketten. Unsere Fahrzeuge bestehen in der Regel aus mehreren Tausend Teilen und Komponenten. Wir haben Tausende direkte Lieferanten, die wiederum mit zahlreichen Unterlieferanten zusammenarbeiten. In solch komplexen und globalen Netzwerken ist das Bekenntnis zum Schutz der Menschenrechte eine fortlaufende Aufgabe, die sich nicht per Knopfdruck erledigen lässt.
Menschenrechtliche Risiken sind häufig dort am größten, wo unser Einfluss am geringsten ist – nämlich in den Minen und Abbaugebieten ganz am Anfang der Lieferkette. Hier fehlt uns der direkte Durchgriff, da wir Rohstoffe für gewöhnlich nicht selbst beziehen und wir ohne vertragliche Beziehungen kein rechtliches Einflussmittel haben. Dennoch setzen wir alles daran, auch in diesen vorgelagerten Stufen der Lieferkette einen positiven Einfluss auszuüben und übergreifende Standards zu etablieren. Am meisten erreichen wir, wenn wir gemeinsam mit unseren Lieferanten und Partnern daran arbeiten, die Bedingungen für Menschen und Umwelt vor Ort zu verbessern. So verpflichten wir unsere direkten Lieferanten dazu, unsere Responsible Sourcing Standards einzuhalten und in ihre vorgelagerten Wertschöpfungsketten zu integrieren. Mit dem Liefervertrag verpflichten sich unsere Partner auch dazu, Transparenz in ihren Lieferketten zu schaffen, Risiko-Hotspots zu identifizieren und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken.
Dazu führen wir beispielsweise regelmäßige Audits bei unseren Lieferanten durch – sowohl präventiv als auch immer dann, wenn es Hinweise auf potenzielle Menschenrechts- oder Umweltverstöße gibt. Nach einem Audit arbeitet unser Einkauf mit den Partnern an sogenannten Corrective Action Plans und überwacht deren Umsetzung engmaschig. Diese Maßnahmen – und ihre fortlaufende Überprüfung – tragen dazu bei, unsere Lieferkette stetig zu verbessern.
Wir bündeln unsere Kräfte zudem mit anderen Unternehmen, Organisationen und Initiativen, um soziale Projekte im Umfeld der Lieferkette zu unterstützen. Ein Beispiel ist unser Programm mit dem Aluminiumproduzenten Hydro in der Amazonasregion Brasiliens. Entlang von Hydros 244 Kilometer langer Bauxit-Pipeline arbeiten wir eng zusammen, um die Mitbestimmung indigener Gemeinschaften zu stärken und die Artenvielfalt im Regenwald zu schützen. Ziel ist es, die Menschen vor Ort einzubeziehen und ihnen zu ermöglichen, ihre wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Lebensbedingungen zu verbessern. Mercedes-Benz unterstützt dabei, die notwendigen Strukturen aufzubauen und Wissen für ein nachhaltiges Risikomanagement in Rohstofflieferketten zu vermitteln.
Außerdem führen wir umfassende Rohstoffassessments durch, um 24 potenziell kritische Rohstoffe hinsichtlich menschenrechtlicher und ökologischer Risiken zu analysieren und Maßnahmen zur Prävention und Risikominimierung einzuleiten. Das ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Transparenz in unseren Lieferketten und unterstreicht unser Bekenntnis zu kontinuierlicher Verbesserung. Transparenz und Risikomanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind entscheidend.