Grundsatzerklärung für soziale Verantwortung und Menschenrechte

Interview mit Andrea Shemberg und Jürgen Gleichauf

Menschenrechte in herausfordernden Zeiten.

10. Dezember 2025 – Am 10. Dezember feiert die Welt den Internationalen Tag der Menschenrechte. Jürgen Gleichauf, Chief Compliance Officer und Menschenrechtsbeauftragter der Mercedes-Benz Group AG, und Andrea Shemberg, eine internationale Menschenrechtsanwältin mit über 20 Jahren Erfahrung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, sprechen im Interview darüber, was es im heutigen globalen Kontext wirklich bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Es gibt eine Vielzahl von Aktions- und Gedenktagen – vom Internationalen Frauentag über den Antikorruptionstag bis hin zum UNESCO-Welterbetag. Warum ist ein Internationaler Tag der Menschenrechte wichtig – und woran erinnert er uns?

Andrea Shemberg: Gedenktage erinnern uns daran, dass wir – unabhängig von unserer Herkunft – eine gemeinsame Menschlichkeit und gemeinsame Ideale teilen. Der Internationale Tag der Menschenrechte ist dabei besonders bedeutend. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg organisierte sich die Internationale Gemeinschaft in den neu gegründeten Vereinten Nationen – und verabschiedete am 10. Dezember 1948 eine gemeinsame Grundlage, wie ein Leben in Würde aussehen sollte – mit 48 Ja-Stimmen und keiner einzigen Gegenstimme. Es war die erste wirklich universelle Erklärung darüber, welche Rechte jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zustehen. Und dieses historische Dokument könnte heute kaum aktueller sein.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) inspirierte das gesamte moderne internationale Menschenrechtssystem – politische, zivile, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Sie bleibt bis heute ein zentraler Bezugspunkt dafür, was wir von Staaten und Unternehmen erwarten – und welche Verantwortung sie bei der Achtung der Menschenrechte tragen. Heute ist die AEMR das am häufigsten übersetzte Dokument der Welt – inzwischen in über 500 Sprachen –, was viel über ihre globale Bedeutung aussagt.

Für mich ist dieser Tag außerdem aus zwei sehr konkreten Gründen wichtig. Erstens erinnert er uns an die Prinzipien, die es Gesellschaften ermöglichen, zu funktionieren und zu gedeihen: Würde, Gleichheit, Gerechtigkeit und die grundlegenden Bedingungen dafür, dass Menschen ein sicheres, sinnvolles Leben führen können. Das sind keine abstrakten Ideale; sie bilden das Fundament gesellschaftlicher Stabilität.

Zweitens erinnert uns dieser Tag daran, welche positiven Folgen kollektives Handeln haben kann. Die AEMR war keine Symbolpolitik, sondern eine bewusste Entscheidung von Regierungen, die nach Krieg, Misstrauen und enormen Verlusten einen neuen Anfang suchten und sich auf gemeinsame Normen für verantwortungsvolle internationale Politik verständigten. Gemeinsame Werte fördern Zusammenarbeit und Kooperation – und machen Konflikte weniger wahrscheinlich. In dieser Zeit der Fragmentierung und des schwindenden Vertrauens in internationale Institutionen ist es besonders wichtig, sich an diese Errungenschaft zu erinnern.

Andrea Shemberg.
Andrea Shemberg.

Was sind Ihrer Meinung nach heute die größten Herausforderungen für die Menschenrechte auf der Welt?

Andrea Shemberg: Am meisten beunruhigt mich, wie mehrere Entwicklungen sich gegenseitig verstärken und dadurch die Menschenrechte untergraben.

Die erste Entwicklung ist die Zunahme autoritärer Verhaltensweisen von Staaten. Wir erleben weltweit, wie Regierungen Macht konzentrieren, den zivilgesellschaftlichen Raum einschränken, die gerichtliche Kontrolle schwächen und es Menschen erschweren, ihre Meinung frei zu äußern. Laut Reporter ohne Grenzen sind die Bedingungen für den Journalismus im Jahr 2025 in der Hälfte aller Länder „schlecht“.

Die zweite Herausforderung: Es gibt immer mehr und immer chaotischere gewaltsame Konflikte – und das wachsende Gefühl, dass Gewalt „normal“ wird. Das Peace Research Institute Oslo stellt fest, dass wir es heute nicht mehr mit isolierten Konflikten zu tun haben, sondern sie „vielschichtig, transnational und zunehmend schwer zu beenden“ sind.

Schließlich beobachten wir, dass Staaten sich auf sich selbst konzentrieren und weniger Wert auf Zusammenarbeit legen. Es gibt mehr geopolitische Spannungen und deutlich weniger Bereitschaft, Probleme gemeinsam zu lösen. Berichte von der Klimakonferenz (COP) in Brasilien im November 2025 zeigen, dass „der Multilateralismus keine Selbstverständlichkeit mehr ist“. Unter solchen Bedingungen wird die Einhaltung menschenrechtlicher Normen deutlich anspruchsvoller.

Was mir Sorgen macht ist das Zusammenspiel dieser Trends. Autoritarismus gedeiht häufig dort, wo Gewalt normalisiert wird, weil Angst und Instabilität den Regierungen einen Vorwand bieten, die Kontrolle zu verschärfen. Und Konflikte schaffen wiederum die Bedingungen dafür, dass autoritäre Praktiken leichter Fuß fassen. Wenn Staaten sich zunehmend nach innen orientieren, werden internationale Zusammenarbeit und das Vertrauen in multilaterale Organisationen, die uns aus diesem gefährlichen Kreislauf heraushelfen könnten, immer schwerer erreichbar. Diese Mischung schafft ein schwieriges Umfeld für den Schutz der Menschenrechte – und wir sollten sie sehr ernst nehmen.

Herr Gleichauf, Nachhaltigkeit wird bei Mercedes-Benz als ganzheitlicher Prozess verstanden, der wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte umfasst. Ein Schwerpunkt der Nachhaltigkeit ist das Thema Menschenrechte. Wie ist dieses Thema in Ihrem Unternehmen verankert?

Jürgen Gleichauf: Für uns bei Mercedes-Benz ist eines klar: Wir wollen Produkte herstellen und verkaufen, die frei von Menschenrechtsverletzungen sind – und das erwarten unsere Kundinnen und Kunden auch von uns. Wir unterlegen unseren Anspruch mit klar messbaren KPIs, berichten regelmäßig über unsere Fortschritte und entwickeln bestehende Formate kontinuierlich weiter – immer mit einem präzisen Fokus auf die tatsächlichen Risiken. Die Wahrung von Menschenrechten ist für uns sowohl Selbstverständnis als auch Ansporn zugleich. Dies gilt nicht nur für unsere eigenen Konzerngesellschaften, sondern auch für unsere Lieferketten. Als Unternehmen bekennen wir uns nicht nur zu internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs), sondern haben auch eigene konzernweite Richtlinien entwickelt. Ein Beispiel ist die Grundsatzerklärung für soziale Verantwortung und Menschenrechte, die wir kürzlich aktualisiert haben, um unser Bekenntnis und die zugrunde liegenden Prozesse noch deutlicher zu machen.

Um potenzielle Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und zu erkennen, haben wir bereits 2019 ein Social-Compliance-Team aufgebaut und unser eigenes Human Rights Respect System entwickelt – unseren Ansatz zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Wir haben damit früh und aus eigener Initiative begonnen, doch die Herausforderungen wachsen weiter. Deshalb ist es so wichtig, bestehende Systeme, Prozesse und Standards kontinuierlich weiterzuentwickeln – und dabei externe Stakeholder wie NGOs und Expertinnen und Experten einzubeziehen. Gerade in Zeiten globaler Unsicherheit und neuer gesetzlicher Anforderungen müssen Unternehmen klare Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen.

Jürgen Gleichauf, Chief Compliance Officer und Menschenrechtsbeauftragter.
Jürgen Gleichauf, Chief Compliance Officer und Menschenrechtsbeauftragter.

Gibt es ein Thema, das Sie persönlich am meisten beschäftigt?

Jürgen Gleichauf: Die Komplexität unserer Lieferketten. Unsere Fahrzeuge bestehen in der Regel aus mehreren Tausend Teilen und Komponenten. Wir haben Tausende direkte Lieferanten, die wiederum mit zahlreichen Unterlieferanten zusammenarbeiten. In solch komplexen und globalen Netzwerken ist das Bekenntnis zum Schutz der Menschenrechte eine fortlaufende Aufgabe, die sich nicht per Knopfdruck erledigen lässt.

Menschenrechtliche Risiken sind häufig dort am größten, wo unser Einfluss am geringsten ist – nämlich in den Minen und Abbaugebieten ganz am Anfang der Lieferkette. Hier fehlt uns der direkte Durchgriff, da wir Rohstoffe für gewöhnlich nicht selbst beziehen und wir ohne vertragliche Beziehungen kein rechtliches Einflussmittel haben. Dennoch setzen wir alles daran, auch in diesen vorgelagerten Stufen der Lieferkette einen positiven Einfluss auszuüben und übergreifende Standards zu etablieren. Am meisten erreichen wir, wenn wir gemeinsam mit unseren Lieferanten und Partnern daran arbeiten, die Bedingungen für Menschen und Umwelt vor Ort zu verbessern. So verpflichten wir unsere direkten Lieferanten dazu, unsere Responsible Sourcing Standards einzuhalten und in ihre vorgelagerten Wertschöpfungsketten zu integrieren. Mit dem Liefervertrag verpflichten sich unsere Partner auch dazu, Transparenz in ihren Lieferketten zu schaffen, Risiko-Hotspots zu identifizieren und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken.

Dazu führen wir beispielsweise regelmäßige Audits bei unseren Lieferanten durch – sowohl präventiv als auch immer dann, wenn es Hinweise auf potenzielle Menschenrechts- oder Umweltverstöße gibt. Nach einem Audit arbeitet unser Einkauf mit den Partnern an sogenannten Corrective Action Plans und überwacht deren Umsetzung engmaschig. Diese Maßnahmen – und ihre fortlaufende Überprüfung – tragen dazu bei, unsere Lieferkette stetig zu verbessern.

Wir bündeln unsere Kräfte zudem mit anderen Unternehmen, Organisationen und Initiativen, um soziale Projekte im Umfeld der Lieferkette zu unterstützen. Ein Beispiel ist unser Programm mit dem Aluminiumproduzenten Hydro in der Amazonasregion Brasiliens. Entlang von Hydros 244 Kilometer langer Bauxit-Pipeline arbeiten wir eng zusammen, um die Mitbestimmung indigener Gemeinschaften zu stärken und die Artenvielfalt im Regenwald zu schützen. Ziel ist es, die Menschen vor Ort einzubeziehen und ihnen zu ermöglichen, ihre wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Lebensbedingungen zu verbessern. Mercedes-Benz unterstützt dabei, die notwendigen Strukturen aufzubauen und Wissen für ein nachhaltiges Risikomanagement in Rohstofflieferketten zu vermitteln.

Außerdem führen wir umfassende Rohstoffassessments durch, um 24 potenziell kritische Rohstoffe hinsichtlich menschenrechtlicher und ökologischer Risiken zu analysieren und Maßnahmen zur Prävention und Risikominimierung einzuleiten. Das ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Transparenz in unseren Lieferketten und unterstreicht unser Bekenntnis zu kontinuierlicher Verbesserung. Transparenz und Risikomanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind entscheidend.

Frau Shemberg, wie können Unternehmen in einer so komplexen Zeit wie heute echte Verantwortung für Menschenrechte übernehmen? Was ist Ihr wichtigster Rat?

Andrea Shemberg: Die Welt erscheint im Moment sehr komplex. Wir stehen vor einer Vielzahl globaler Krisen, einige davon haben wir bereits angesprochen. Hinzu kommt eine Reihe stark vereinfachter Narrative, die zunehmend an Einfluss gewinnen, Komplexität tendenziell ausklammern und suggerieren, dass Unternehmen Menschenrechte außer Acht lassen sollten. Manche behaupten, die Achtung der Menschenrechte oder der Umwelt schade der Wettbewerbsfähigkeit, bremse die notwendige Energiewende oder sei ein Nice-to-have für wirtschaftlich gute Zeiten. Diese Narrative sind irreführend – und für Unternehmen wenig hilfreich.

Schauen wir uns das Narrativ, die Achtung der Menschenrechte schade der Wettbewerbsfähigkeit, mal genauer an: Diese Erzählung suggeriert, dass Unternehmen erfolgreich sein können, wenn sie Menschenrechte und Umweltrisiken ignorieren – und übersieht dabei den Wert, der durch ein gutes Management dieser Risiken geschaffen wird. Menschenrechtsherausforderungen verschwinden in turbulenten Zeiten nicht, im Gegenteil: Sie nehmen eher zu. Wenn sie nicht angegangen werden, können sie die Geschäftsfähigkeit des Unternehmens – Produktion, Transport und sogar Verkauf der Produkte – massiv beeinträchtigen. Führungskräfte sollten vereinfachende Narrative, die Komplexität leugnen, daher entschieden zurückweisen – und stattdessen ihre Fähigkeit stärken, Menschenrechtsrisiken aktiv zu managen. Das ist letztlich die sicherste Grundlage dafür, dass ein Unternehmen überlebt und gedeiht. Mein Rat an Unternehmen lautet deshalb:

Erstens: Halten Sie an den UNGPs als „Polarstern“ fest. Sie sind nach wie vor der weltweit maßgebliche Rahmen und bieten einen risikobasierten Ansatz, der Unternehmen auf unterschiedliche Regulierungen vorbereitet und gleichzeitig globalen Erwartungen entspricht. Noch wichtiger ist: Sie verorten Unternehmen in einem gemeinsamen normativen Raum. Wo wir Normen und Erwartungen teilen, sind Zusammenarbeit und Kooperation einfacher und wahrscheinlicher. Und wie Herr Gleichauf gerade sagte: Kooperation ist essenziell, denn viele Herausforderungen im Bereich Menschenrechte lassen sich nicht von einem einzelnen Unternehmen allein bewältigen.

Zweitens: Nehmen Sie Komplexität an und meiden Sie vereinfachende Narrative, die scheinbar mühelose Lösungen versprechen. Investieren Sie in die Fähigkeit, Komplexität zu navigieren – nicht in Versuche, sie zu leugnen. Dazu gehören insbesondere wirksame Verfahren zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht.

Herr Gleichauf, gerade war von dem Narrativ die Rede, wonach die Achtung der Menschenrechte und der Schutz der Umwelt die globale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Wie können Unternehmen aus Ihrer Sicht darauf reagieren?

Jürgen Gleichauf: Ich stimme Frau Shemberg vollkommen zu: Es ist essenziell, dass internationale Standards – wie die in den UNGPs – weltweit respektiert werden. Unternehmen müssen verstehen, welche potenziellen oder tatsächlichen Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte haben kann. Auf dieser Grundlage sollten sie Prozesse etablieren und Maßnahmen ergreifen, um negative Auswirkungen zu verhindern, zu mindern oder wiedergutzumachen. Diese Maßnahmen sollten sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen das Unternehmen Verantwortung trägt oder Einfluss ausüben kann.

Für uns ist das eine tägliche Aufgabe und ein zentrales Anliegen. Neben dem ethischen Imperativ gibt es auch klare geschäftliche Gründe für die Achtung der Menschenrechte und eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie: Menschlich handeln und das Richtige tun ist das eine – aber die Einhaltung von Sorgfaltspflichten schützt zugleich unser Unternehmen. Wenn wir Gesetze wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) richtig umsetzen, die wirklichen Risiken adressieren, die geeigneten Prozesse aufsetzen und unseren Lieferanten die richtigen Fragen stellen, schützen wir unser Unternehmen aktiv vor möglichen Schäden. Und letztlich sparen wir Geld, weil wir Strafzahlungen vermeiden.

Ich sehe hier also zwei Perspektiven, die zu einer Botschaft führen: Die Einhaltung der Menschenrechte ist nicht verhandelbar – sie sind grundlegende Verpflichtungen, die für uns alle gelten.

Herr Gleichauf, Sie haben das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erwähnt. Die Bundesregierung erwägt, die Berichtspflichten abzuschaffen und die Sanktionen zu reduzieren. Gleichzeitig wird auf europäischer Ebene darüber diskutiert, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gegenüber ihren ursprünglichen Ambitionen deutlich zu vereinfachen. Wie sehen Sie diese Entwicklungen – und was bedeuten sie für Mercedes-Benz?

Jürgen Gleichauf: Grundsätzlich begrüßen wir eine EU-weite Regulierung für Lieferketten, sofern ihre Umsetzung für die betroffenen Unternehmen machbar ist, nicht zu Wettbewerbsnachteilen führt und dem eigentlichen Ziel dient: die Lebensumstände der betroffenen Menschen zu verbessern. Ein einheitlicher europäischer Standard ist besser als bis zu 27 unterschiedliche nationale Regelungen. Allerdings dürfen Unternehmen nicht durch redundante und übermäßig bürokratische Vorgaben überlastet werden. Deshalb begrüßen wir die geplanten Gesetzesänderungen – insbesondere die Abschaffung der ausufernden Berichtspflichten im Rahmen des LkSG, die sich in der Praxis für die betroffenen Unternehmen als sehr bürokratisch und belastend erwiesen haben, ohne reale Verbesserungen für Menschen oder Umwelt zu bringen.

Unabhängig von gesetzlichen Anpassungen bleibt für Mercedes-Benz jedoch eines unverändert: Eine wirksame menschenrechtliche Sorgfaltspflicht ist essenziell – sowohl für unsere eigenen Beschäftigten als auch entlang der gesamten Lieferketten.

Bei der Umsetzung und behördlichen Durchsetzung von Sorgfaltspflichten plädieren wir jedoch für Augenmaß und einen klaren Fokus auf tatsächliche Risiken. Nur dort, wo wir Zugang zu den notwendigen Informationen haben und Einfluss nehmen können – etwa durch Verträge oder Audits –, können wir wirklich etwas zum Positiven verändern. Das sollte unser oberstes Ziel sein, auch im Kontext des LkSG oder der CSDDD.

Frau Shemberg, befürchten Sie, dass eine Abschwächung regulatorischer Rahmenbedingungen Fortschritte bei der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht untergraben oder den Eindruck erzeugen könnte, diese Bemühungen seien vergeblich gewesen?

Andrea Shemberg: Manchmal führt ein zu starker Fokus auf Regulierung dazu, dass wir das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren: sicherzustellen, dass die Aktivitäten von Unternehmen keinem Menschen schaden. Firmen, die sich für Menschenrechte engagieren, führen Sorgfaltsprüfungen durch, da dies der beste Weg ist, Risiken zu identifizieren und zu bewältigen – sowohl für Menschen als auch für die Unternehmen selbst. Keine Abschwächung eines regulatorischen Rahmens ändert etwas an dieser Tatsache. Wenn die Sorgfaltspflicht nur zur Einhaltung von Gesetzen erfüllt wird, deutet dies auf eine gravierende Diskrepanz innerhalb des Unternehmens hin – und das allein gefährdet bereits die Nachhaltigkeit des Geschäfts.

Wesentlich ist für mich eine eindeutige Haltung der Führungsebene: Die Achtung der Menschenrechte gehört zur Unternehmenskultur und ist eine zentrale Verpflichtung. Dieses Bekenntnis wird in konkrete Due-Diligence-Richtlinien, Prozesse und aussagekräftige Leistungsindikatoren übersetzt – und prägt einen prinzipienfesten Pragmatismus im Umgang mit den komplexen menschenrechtlichen Herausforderungen. Indem das Unternehmen die im Laufe der Zeit gewonnenen Erkenntnisse konsequent in die Praxis überführt, verbessert es seine Menschenrechtsbilanz und leistet dort einen spürbaren Beitrag, wo er am meisten zählt: im Leben der Menschen.

Frau Shemberg, was stimmt Sie zuversichtlich, dass die Entwicklung der Menschenrechte weiter voranschreiten wird – weltweit und in Unternehmen?

Andrea Shemberg: Danke für diese Frage. Ich sehe tatsächlich vieles, was mir Hoffnung macht. Ich bin zuversichtlich, wenn mir Mitarbeitende von Unternehmen erzählen, wie sie ihren Organisationen dabei helfen, Menschenrechtsrisiken im Kontext politischer Dynamiken, der Realitäten in den Lieferketten und ökologischer Herausforderungen zu berücksichtigen. Und trotz der Unsicherheit, die sie umgibt, setzen sie diese Arbeit mit echter Überzeugung fort.

Darüber hinaus ist es ermutigend, dass die UN-Leitprinzipien weiterhin weltweit als gemeinsamer Bezugspunkt dienen. Das zeigt mir: Abseits des politischen Lärms besteht ein breiter Konsens, dass die Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte als globales Konzept Bestand haben wird. Hoffnung geben mir zudem kollektive Initiativen: branchenübergreifende Kooperationen, Partnerschaften mit Staaten und anderen Akteuren. Vieles davon geschieht im Hintergrund, aber es ist entscheidende Arbeit.

Was mich hoffnungsvoll stimmt, sind die Entschlossenheit und Integrität der Menschen, die sich für diese Arbeit einsetzen, die anhaltende Orientierung an gemeinsamen globalen Standards und die Bereitschaft von Organisationen, selbst in schwierigen Zeiten zusammenzuarbeiten. Das Zusammenspiel dieser Faktoren hat die Menschenrechtsarbeit in der Vergangenheit getragen – und wird dies auch künftig tun.

Nachdem wir über Hoffnung sprechen: Herr Gleichauf, was macht Sie zuversichtlich, dass Mercedes-Benz die Transformation hin zur Elektromobilität erfolgreich meistert und gleichzeitig die Menschenrechte wahrt?

Jürgen Gleichauf: Wenn wir über E-Mobilität sprechen, rücken Rohstoffe zwangsläufig in den Fokus. In unserer Batterieentwicklung verfolgen wir das Ziel, den Ressourceneinsatz zu minimieren und das Recycling zu stärken – noch sind Primärrohstoffe jedoch unverzichtbar. Deshalb setzen wir konkrete Maßnahmen in unseren Lieferketten um und entwickeln sie kontinuierlich weiter. Hoffnung gibt mir, dass wir nicht nur Standards formulieren, sondern auch Verantwortung vor Ort übernehmen.

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bietet einen starken Rahmen, etwa durch das Prinzip „Befähigung vor Rückzug“. Das heißt: Wenn Probleme auftreten, ziehen wir uns nicht einfach zurück. Wir engagieren uns vor Ort – auch wenn es herausfordernd ist –, um die Situation zu verbessern. In Indien unterstützen wir beispielsweise Terre des Hommes, eine Organisation, die Kinderarbeit in der Nähe von Glimmerminen im Bundesstaat Jharkhand verhindern will. Glimmer wird unter anderem für Bremsbeläge und Fahrzeuglacke verwendet. Das Projekt bekämpft Kinderarbeit, indem es deren Ursachen adressiert. Bildungsprogramme und Informationen über Kinderrechte sollen Kinder langfristig vor dem Einsatz im Bergbau schützen. Terre des Hommes arbeitet zudem mit lokalen Medien und Institutionen daran, das Thema stärker auf die politische Agenda zu setzen.

Darüber hinaus engagieren wir uns zum Beispiel auch in der Responsible Mica Initiative, treten in den Austausch mit lokalen Interessengruppen, verstehen ihre Herausforderungen und unterstützen Maßnahmen zur Abschaffung von Kinderarbeit und zur Stärkung der Gemeinschaften. Erfolg entsteht nicht über Nacht – aber jeder Schritt verringert Risiken und verbessert das Leben der Menschen.

Grundsatzerklärung für soziale Verantwortung und Menschenrechte.

Grundsatzerklärung.

Ausdruck unserer menschenrechtlichen Verpflichtungen: Die Grundsatzerklärung für soziale Verantwortung und Menschenrechte bildet die verbindliche Grundlage für die Umsetzung wichtiger menschenrechtlicher Standards bei Mercedes-Benz.

Visual Raw Material Report 2023.

Menschenrechte bei Mercedes-Benz.

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