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Mit der Spieltheorie zur perfekten Verhandlungsstrategie.

Sein Job ist es, die Performance von Lieferanten vergleichbar zu machen und die optimale Verhandlungsstrategie für Vergaben zu entwickeln. Um die Facheinkäuferinnen und -einkäufer gut zu beraten, greift Christian Netenjakob bei Mercedes-Benz am Standort Böblingen als Inhouse Consultant auf die Spieltheorie zurück. Im Alltag gibt es viele Parallelen zu spieltheoretischen Erkenntnissen – ob es um politische Diskussionen gehe oder darum, wie ein Supermarkt Preise und Werbung gestalte, so der gebürtige Ostwestfale. Ein Gespräch über Perspektivenwechsel, Strategien und was der Blick über den heimischen Tellerrand bringt.

Christian, du kümmerst dich um die Optimierung von Auftragsvergaben unter Anwendung der Spieltheorie. Kannst du uns das bitte näher erläutern?

Wir kümmern uns um ausgewählte, strategisch wichtige Vergabeumfänge. Den Vergabeprozess optimieren wir dahingehend, dass Mercedes-Benz sich am Ende für den besten Lieferanten entscheidet. Die Spieltheorie ist eine wissenschaftliche Methode, die uns dabei hilft, strategische Interaktionen zwischen Akteuren in einem Markt zu analysieren: Wie verhält sich jemand in der Zukunft? Wie wirken sich meine eigenen Handlungen aus? Welche Konsequenzen haben Rahmenbedingungen, die wir vorgeben? Wir legen aufgrund von Analysen und unter Anwendung von spieltheoretischen Methoden Regeln fest, unter denen später real verhandelt wird und Aufträge vergeben werden. Diese Regeln sind sowohl für Mercedes-Benz als auch für die teilnehmenden Lieferanten bindend. Damit stellen wir einen fairen Wettbewerb und einen transparenten Vergabeprozess sicher.

Um die „Spielregeln“ für Lieferantenverhandlungen festzulegen, gilt es als Projektkoordinator viele Aspekte und Perspektiven zu berücksichtigen.
Um die „Spielregeln“ für Lieferantenverhandlungen festzulegen, gilt es als Projektkoordinator viele Aspekte und Perspektiven zu berücksichtigen.

Betrachtet ihr nur die Interaktion zwischen Mercedes-Benz und einem Anbieter oder werden Lieferanten auch zueinander in Beziehung gesetzt?

Sowohl als auch. Natürlich beziehen wir alle Lieferanten ein, die uns zum Beispiel mit einem bestimmen Bauteil oder Materialien beliefern könnten. Allerdings schauen wir uns nicht nur das sogenannte Lieferantenset, sondern jeden unserer potenziellen Partner ganz individuell an: Sind die Angebote der Lieferanten vollständig und vergleichbar? Welche Stärken und Schwächen haben sie? Wie können diese bewertet und in der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden? Es geht nicht nur um die finanzielle Optimierung, sondern auch um die Einbeziehung von Unterschieden in den angebotenen Produkten, wie zum Beispiel Gewichts- oder Leistungsdaten. Es gewinnt nicht immer der kostengünstigste Anbieter, sondern der, der das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Wir beraten die Facheinkäufer dabei über viele Monate hinweg – nicht nur in Bezug auf spieltheoretische Gesichtspunkte, sondern unterstützen auch bei internen Prozessen und im Stakeholder Management.

Du begleitest für die Vergabesteuerung Projekte in wechselnden Tandems und in verschiedenen Teamkonstellationen. Wie wichtig sind für dich Agilität und Perspektivenwechsel?

Extrem wichtig! Das ist ein großer Vorteil in der Zusammenarbeit. Es macht viel Spaß, in wechselnden Tandems zu agieren und einen anderen Blick auf die Herausforderungen und Lösungsansätze zu gewinnen. Wir sind permanent in sehr intensivem Austausch, auch mit anderen Teamkolleginnen und -kollegen außerhalb des Tandems. Das ist auch notwendig, weil die Anwendung der Spieltheorie im Einkauf hochkomplex ist und viele Perspektiven einbezogen werden, um unterschiedliche Erkenntnisse zu gewinnen. Wir teilen unsere Ideen gerne gemeinsam im Team, um alle möglichen Herausforderungen zu adressieren.

Und wie können wir uns dein Team konkret vorstellen?

Wir sind ein relativ junges und sehr heterogenes Team. Aber wir haben auch gemeinsame Interessen und nach Feierabend unternehmen wir auch mal etwas zusammen. Das ist sehr positiv für die Zusammenarbeit. Bei uns arbeiten Menschen mit betriebs-/volkswirtschaftlichem oder technischem Hintergrund und Praxiserfahrung im Facheinkauf oder im akademischen Umfeld. Wir ergänzen uns in unseren Kompetenzen. Ich selbst komme aus der Unternehmensberatung und habe mich dort um Digitalisierungsthemen im Einkauf gekümmert. Bei den Online-Tools, die wir nutzen, habe ich zum Beispiel Funktionalitäten hinzugefügt, um Arbeitsweisen zu verbessern. Wenn wir ein Projekt abschließen, teilen wir unsere gewonnenen Erfahrungen mit dem ganzen Team – die positiven Erkenntnisse ebenso wie die Herausforderungen bei der Vergabe.

Wie läuft deine cross-funktionale Zusammenarbeit bei Mercedes-Benz?

Wir sind natürlich in unserer Beratungstätigkeit von Facheinkäuferinnen und Facheinkäufern näher am Einkauf als an anderen Funktionen. Dennoch ist es sehr wichtig, die Perspektiven anderer Funktionen miteinzubeziehen, um den besten Lieferanten zu nominieren. Dafür spreche ich zum Beispiel auch mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Qualität, technische Entwicklung oder Logistik. Ich mag es, in die gesamten Unternehmensprozesse eingebunden zu sein und zu sehen, wie die Zahnräder ineinandergreifen.

Für die hochkomplexe Analyse des Vergabeprozesses ist Christian im ständigen Austausch mit anderen Bereichen und Standorten.
Für die hochkomplexe Analyse des Vergabeprozesses ist Christian im ständigen Austausch mit anderen Bereichen und Standorten.

Deine Arbeit ist international ausgerichtet, du bist regelmäßig im Austausch mit Mercedes-Benz Standorten weltweit. Macht das für dich den Job besonders reizvoll?

Definitiv. Ich tausche mich zum Beispiel mit Kolleginnen und Kollegen in China, den USA oder Südafrika aus, weil wir zentral auch für diese Produktionsstandorte Vergaben begleiten. Es gehört in der Mercedes-Benz Group dazu, globale Perspektiven einzubeziehen. Die internationale Zusammenarbeit macht auf jeden Fall riesigen Spaß und ich finde es großartig die Dinge mal durch eine andere Brille zu sehen. Ich habe auch während meines Wirtschaftsingenieur-Studiums an der Universität Duisburg-Essen ein Auslandssemester in Malaysia verbracht.

Hat dich der Auslandsaufenthalt verändert?

Zweifellos. Malaysia ist ein unglaublich spannendes Land. Es hat eine schnell wachsende Wirtschaft und multikulturelle Gesellschaft. Viele verschiedene Nationalitäten mit unterschiedlichen Religionen und Herkünften wohnen im Einklang miteinander. Auch die geografische Lage im Zentrum Südostasiens ist spannend. Das Leben dort hat meine Perspektive auf viele Dinge geändert. In Deutschland ist man zu vielen Themen oft eher kritisch gestimmt. Im Schwäbischen sagt man: Ned g`schimpft isch scho g`nug g`lobt. Ich bin aber der Meinung: Bei uns läuft vieles sehr gut.

Was gab für dich den Ausschlag, dich bei Mercedes-Benz zu bewerben?

Ein wichtiger Faktor für meine Entscheidung, bei Mercedes-Benz zu arbeiten, ist die konsequente strategische Ausrichtung als Automobilhersteller in Bezug auf Nachhaltigkeit, Elektromobilität und Innovation für seine Produkte.

Eine ganz andere Frage zum Schluss: Dein liebstes Hobby ist Rennradfahren. Hast du dir dafür Ziele gesetzt?

Irgendwann würde ich gern mal am Ötztaler Radmarathon in Österreich teilnehmen. Start ist in Sölden, dann geht es über 227 Kilometer durch mehrere Länder mit vielen Alpenpässen und insgesamt über 4.000 Höhenmeter. Das Ziel ist aber noch in weiter Ferne. Um das zu schaffen, muss man sehr lange trainieren.

Als Christian Netenjakob (30) für den Job bei Mercedes-Benz von Düsseldorf nach Stuttgart zog, war für ihn die Schwäbische Alb ein wichtiges Standortkriterium. Schließlich bietet sie ihm ein reizvolles Trainingsgebiet fürs Rennradfahren, das für ihn ein wichtiger Ausgleich zum Job ist. Sein Motto: Je bergiger, desto besser! Spätestens als er seinen Master in Automotive Engineering & Management machte, war klar, dass die Automobilindustrie ihm als Wirtschaftsingenieur ein unerschöpfliches Handlungsfeld mit vielschichtigen, komplexen Herausforderungen bietet. Die Begeisterung für die Marke Mercedes-Benz entwickelte sich schon in seiner Kindheit, wenn sein Onkel, der jahrzehntelang dort arbeitete, zum Besuch mit seiner Mercedes-Limousine vorfuhr.