Daneben arbeiten die Sindelfinger Unfall-Experten auch stärker proaktiv mit als in früheren Zeiten. Zum Beispiel als Berater bei der Konzeption von sicheren Elektroautos. „Da ist es unsere Aufgabe, aus dem realen Unfallgeschehen abzuleiten, welche Anforderungen es an die Sicherheit gibt“, erklärt Heiko Bürkle: „Es geht um Fragen wie: An welchen Stellen im Fahrzeug sollte ich keine Hochvolt-Bauteile einbauen, weil diese Bereiche bei Unfällen besonders häufig beschädigt werden? Oder: Woran erkennt das Fahrzeug, dass es jetzt gerade in einen Unfall verwickelt ist, bei dem es die Hochvolt- oder 48-Volt-Systeme ausschalten muss?“
Die bisherigen Erkenntnisse der Unfallforscher sind jedenfalls vielversprechend. Bei den Elektro- und Hybridfahrzeugen von Mercedes-Benz, die bislang in einen Unfall verwickelt waren und anschließend untersucht wurden, hat das Abschalten dieser Systeme einwandfrei geklappt. Natürlich gilt auch: Je mehr Elektroautos auf der Straße sind, desto schneller wächst der Erfahrungsschatz der Experten. Und die Unfallforschung ist ein Geschäft, das von genau dieser Erfahrung lebt. „Wir haben im Team auch nur eine geringe Fluktuation“, sagt Heiko Bürkle, „das ist natürlich auch eine Bestätigung. Es zeigt: Unser Job ist sehr facettenreich, kein Tag ist wie der andere.“ Er selbst leitet das Team seit 2001, davor arbeitete er als Unfallforscher bei der Firma Dekra und war unter anderem als Gerichtsgutachter im Einsatz.
Einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen der Arbeit der Sachverständigen, die Verkehrsunfälle für die Justiz analysieren, und den Unfallforschern von Mercedes-Benz gibt es aber. Das ist auch Stefan Sellner wichtig. Bevor er sich dranmacht, das verbeulte weiße E-Klasse Coupé genauer unter die Lupe zu nehmen, sagt er ein paar Sätze, die im Gedächtnis bleiben: „Uns geht es nie um die Frage, wer Schuld am Unfall hatte. Nie darum, ob jemand womöglich die Vorfahrt missachtet hat oder zu schnell unterwegs war. Wir wollen herausfinden, was wir noch tun können, damit bei Unfällen niemand mehr ernsthaft zu Schaden kommt. Nur darum geht es uns.“