Heike, Alexandra, wann haben Sie sich in Ihrem beruflichen Umfeld geoutet? Wie waren die Reaktionen?
Heike Hartrath: Ich habe früher an der Uni gearbeitet. Da spielte meine sexuelle Orientierung überhaupt keine Rolle. Als ich dann Ende der 90er Jahre ins Unternehmen kam, musste ich mich erstmals damit auseinandersetzen. Eine Freundin hat mir damals geraten, ich solle nicht von Anfang an sagen, dass ich lesbisch bin, das Unternehmen sei konservativ. Den Rat habe ich zunächst befolgt. Um vom Wochenende und Urlauben erzählen zu können, habe ich Frank erfunden, einen fiktiven Lebenspartner. Das ging etwa ein dreiviertel Jahr so, dann habe ich mich gefragt, was das soll. Ich bin glücklich, so wie ich bin. Ich möchte mich nicht verstecken müssen. Deshalb habe ich von da an den Personen, die ich mochte, erzählt, dass ich mit einer Frau zusammenlebe. Die Reaktion von allen war unisono: „Aha. Und?“ Es war überhaupt kein Thema für sie.
Alexandra Boavida: Bei mir war es ähnlich. Als ich vor vielen Jahren meine berufliche Laufbahn außerhalb von Mercedes-Benz begonnen habe, war Homosexualität in der Gesellschaft ein absolutes Tabu. Irgendwann, als ich die Menschen in meinem Arbeitsumfeld besser gekannt habe und Vertrauen gefasst hatte, habe ich mich geoutet. Im Verlauf meiner Karriere habe ich für verschiedenste Unternehmen gearbeitet. Diese Unternehmen verbindet, dass sie die gleichen Werte und Moralvorstellungen vertreten wie ich – zum Beispiel Vielfalt oder Chancengleichheit. Das hat mir geholfen. Ich habe mich für diese Unternehmen entschieden, weil sie es mir ermöglichten, ich selbst zu sein und mich nicht für eine Karriere verstellen zu müssen. Ich glaub nicht, dass ich in einem Unternehmen überleben würde, in dem es diese Werte nicht gibt.
Haben Sie auch negative Rückmeldungen bekommen und wie sind Sie damit umgegangen?
Alexandra Boavida: Nicht von Menschen aus meinem Arbeitsumfeld, die mir wichtig sind. Ich glaube, es hat mir geholfen, dass ich mir treu geblieben bin und ich so bin, wie ich bin. Die Leute mögen mich, oder sie mögen mich nicht. Es gab einmal einen Kollegen, der mich „bekehren“ wollte. Das klappt bei mir nicht. Ich bin lesbisch geboren worden, das ist nicht über Nacht passiert. Trotz langer Gespräche hat er es immer wieder versucht. Irgendwann dachte ich, er ist meine Zeit nicht wert. Also habe ich ihn ignoriert und er hat es dann auch nicht mehr versucht. Aber auch wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin, hören wir immer wieder negative Kommentare. Die Gesellschaft kann ein hässlicher Ort sein. Ich glaube, es macht den Menschen Angst, das Leben zu wählen, das sie wollen. Man muss mit seinen Entscheidungen für sich selbst glücklich sein, nicht für jemand anderen.