Mit dem Technologiezentrum Fahrzeugsicherheit (TFS) eröffnet Mercedes-Benz in Sindelfingen das modernste Crashtest-Zentrum der Welt. Das neue Gebäude mit seinen zahlreichen Prüfeinrichtungen bietet ganz neue Möglichkeiten, etwa bei Fahrzeug-Fahrzeug-Tests, bei der Auslegung von Assistenzsystemen und PRE-SAFE® und bei der Absicherung von Fahrzeugkonzepten mit alternativen Antrieben. Ein paar Zahlen und Fakten rund um das Crashtest-Zentrum:
- Mögliche Crashkonfigurationen:
Es gibt rund 70 verschiedene Crashkonfigurationen mit Pkw und Lkw; u.a. Frontalcrash (mit verschiedenen Überdeckungen), Heck-, Seitenaufprall mit bewegten Barrieren sowie seitlicher Pfahlaufprall, Rollover-Versuch und Fahrzeug-Fahrzeug-Crash. - Dokumentation:
Die Crashs werden mit Hochgeschwindigkeitskameras (bis zu 1.000 Bilder/Sekunde), auch von unten (Filmgruben mit Glasabdeckung) dokumentiert. - Die seitlichen Markierungen in den Crashbahnen, die einem QR-Code ähneln, dienen einer Drohe zur räumlichen Orientierung:
Die Drohne überfliegt vor dem Crash die Strecke, um sicherzustellen, dass sich dort keine Mitarbeiter mehr aufhalten. - Jeder der fünf großen Querträger des stützenfreien Bereichs der Crashhalle wiegt rund 210 Tonnen:
Sie ermöglichen eine hindernisfreie Fläche von 90 m x 90 m. - Für das korrekte Einbringen der Stahlträger musste die Temperatur an den Montagetagen berücksichtigt werden:
Dies war entscheidend wegen der Wärmedehnung des Stahls. - Die Gruben an den Kollisionspunkten der Crashbahnen sind fünf Meter tief:
In ihnen befinden sich moderne Hochgeschwindigkeitskameras, die den Aufprall von unten filmen. Dank des kompakten Microtrack-Systems sind die Schienen zur Führung des Fahrzeugs viel schmaler als bisher (70 mm statt 180 mm in der alten Anlage). So lässt sich anders als früher nahezu der gesamte Unterboden des Fahrzeugs filmen. - Die Glasscheiben zur Abdeckung dieser Gruben sind elf Zentimeter dick:
So halten sie auch die Belastung durch Lkw aus, die erstmals in einer überdachten Halle getestet werden können. - „Ameisen“ sind ein wichtiges Hilfsmittel im TFS:
Ameisen heißen die Elektro-Dreirad-Transportroller, mit denen die Mitarbeiter die langen Strecken im Crashzentrum zurücklegen können. Die Geschwindigkeit beträgt bis zu 22 km/h. Ein zusätzlicher Gepäckträger ermöglicht dabei den Transport von Gegenständen mit bis zu 50 kg Gewicht. - Verstärkte Rohkarossen können bei den Schlittenversuchen mehrfach verwendet werden:
Bei dieser Crashsimulation wird ein Prüfschlitten beschleunigt und abgebremst. Auf dem Schlitten ist ein Versuchsträger (Rohkarosse oder Prüfgestell) befestigt, der so den Belastungen eines realen Fahrzeugcrashs ausgesetzt wird. Mit den Schlittenversuchen lassen sich zerstörungsfrei einzelne Komponenten testen, insbesondere Rückhaltesysteme. - Im Hochregal-Lager für jede Mercedes-Benz Baureihe wird mindestens eine dieser Rohkarossen vorgehalten:
In den direkt darunter gelegenen Werkstätten werden die Karossen vor jedem Versuch mit den zu prüfenden Innenausstattungen ausgerüstet.
- Die Crashbahnen müssen extrem eben ausgeführt sein:
Die Ebenheit der Bahnen (Abweichung maximal 5 mm auf 100 m) ist unter anderem für Crashversuche mit so genannten bewegten Stoßwagen wichtig, mit denen z.B. ein Seitenaufprall nachgestellt wird. Außer den luftgefüllten Reifen haben diese Stoßwagen keinerlei Federung und könnten sich auf einer nicht völlig ebenen Strecke aufschaukeln, was das Crashergebnis verfälschen würde. Die Bodenplatte ruht zur Sicherstellung dieser Ebenheit auf ca. 500 Betonsäulen, die 18 m tief gegründet sind. - Im TFS wurden 7.000 Tonnen Stahl verbaut:
Ähnlich beeindruckend ist die Bilanz für den verbauten Beton: Aneinandergereiht würden alle Lkw mit dem beim Bau verwendeten Beton eine Schlange von 40 km Länge ergeben. - Zwei der insgesamt fünf Crashblöcke tragen unterschiedliche Barrieren an jeder ihrer vier Seiten:
So können verschiedene Crashversuche durch einfaches Drehen konfiguriert werden. - Die Fahrzeuge werden vor dem Crash binnen weniger Sekunden auf die Testgeschwindigkeit beschleunigt:
Dafür sorgen Zugseile aus Stahl, welche über leistungsfähige Elektromotoren angetrieben werden. - Bei einem Schlittenversuch fahren zwei Kameraschlitten parallel mit:
Mercedes-Benz Mitarbeiter haben dieses Tandemschlitten-Verfahren für die Filmaufnahmen bei Schlittenversuchen selbst entwickelt. Früher wurde die Kamera auf einem Ausleger montiert und musste beim Schlittenversuch mit beschleunigt und verzögert werden, was die Nutzlast des Prüfschlittens verringert hat. Beim neuen Aufbau fährt auf beiden Seiten je ein mit Kameras bestückter Tandemschlitten zeitgleich parallel zum Hauptschlitten mit. Die Tandemschlitten werden von Elektrolinearmotoren angetrieben. - Nach dem Crashtest werden die Fahrzeuge in einer Dreh-Vorrichtung nach einer bestimmten Prozedur um 360° kopfüber um die Längsachse gedreht:
Damit wird die Dichtheit des Tanks überprüft.
- Wichtigste Testeinrichtungen:
Die wichtigsten Testeinrichtungen sind die innenliegende Crashhalle mit Winkelbahnen und PRE-SAFE® Fläche, die vier Crashbahnen, das Schlittenprüffeld, die Böschungs-/ Überschlagsrampe für Rollover-Versuche und der Prüfstand für Kopfaufprallversuche. - Besonderheiten:
Erstmals gibt es Crashversuche, bei denen die Fahrzeuge mit eigenem Antrieb zum Hindernis fahren (auch Elektro- und Wasserstofffahrzeuge), das Nachstellen realistischer Unfälle einschließlich Notbremsungen ist möglich, es gibt einen dreh- und einen frei beweglichen Crashblock sowie drei stationäre Blöcke, Luftkissenfahrzeuge für ruckfreien Transport von Karossen für Versuche im Schlittenprüffeld, Drohnen-Einsatz zur Sicherheits-Überprüfung der Crashhalle, ein integriertes Lager für Dummys und Schlittenkarossen und hochpräzise und automatisierte Messsysteme (u.a. Koordinatenmesssystem und Flächenscan).