Können Sie ein Beispiel für eine Fragestellung geben, mit denen sich die Teams beschäftigen?
Renata Jungo Brüngger: Einige aktuelle Fragen betreffen beispielsweise das autonome Fahren. Denken Sie etwa an das Verkehrsschild mit dem springenden Hirsch, das vor einem möglichen Wildwechsel warnt. Das Gefahrenzeichen signalisiert dem Menschen, hier besonders aufmerksam zu sein, auf den Seitenstreifen zu achten und die Geschwindigkeit bei Bedarf zu reduzieren. Aber wie lässt sich diese vage Vorschrift in ein autonom fahrendes Fahrzeug programmieren? Mit welchen Maßnahmen soll die erhöhte Aufmerksamkeit im System abgebildet werden? Und wie lange gilt das Verkehrszeichen, wenn keine Streckenlänge angegeben ist? Fragen wie diese werden bisher in keinem Gesetz beantwortet. Trotzdem müssen sie bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge schon heute mitgedacht und programmiert werden.
Wie wichtig ist beim tCMS der kulturelle Aspekt?
Renata Jungo Brüngger: Sehr wichtig. Denn für den Erfolg unseres tCMS ist eine innere Haltung entscheidend, die Verantwortung und Integrität zur Grundlage des Handelns macht. Das gilt auch für die Arbeit an neuen Technologien. Ziel des tCMS ist es nicht, die Kolleginnen und Kollegen bei jeder einzelnen Entscheidung anzuleiten. Viel wichtiger ist es, an deren eigenes Verantwortungsbewusstsein zu appellieren, damit sie in schwierigen oder unklaren Situationen Hilfe in Anspruch nehmen.
Markus Schäfer: Es kommt dabei vor allem auf zwei Dinge an: Eine lebendige Speak-Up-Kultur und bewusste Ermessensentscheidungen. „Speak Up“ bedeutet: Unsere Kolleginnen und Kollegen sollen Unsicherheiten, kritische Entscheidungssituationen und Fehler offen ansprechen und auch unbequeme Diskussionen führen. Gleichzeitig unterstützen wir unsere Beschäftigten dabei, Entscheidungen bewusst und nach bestem Ermessen zu treffen – vor allem bei Fragen, bei denen es keine eindeutige regulatorische Antwort gibt. Jeder im Unternehmen ist gefragt, die Grundsätze unserer Integritätskultur mitzutragen und sie aus Überzeugung zu leben, gerade auch im technischen Bereich. Die Verantwortung tragen wir alle gemeinsam.
Wo sehen Sie die Herausforderungen der nächsten Zeit für die Produktentwicklung mit Blick auf technische Compliance?
Markus Schäfer: Wenn man auf die Entwicklungsfelder der Branche schaut, spielen die Themen Elektrifizierung, automatisiertes Fahren und Fahrzeug-Software sicherlich auch beim tCMS eine entscheidende Rolle. Damit werden wir uns in Zukunft weiter intensiv beschäftigen.
Renata Jungo Brüngger: Dabei setzen wir uns nicht nur mit technischer Compliance innerhalb unseres Unternehmens auseinander. Wir wollen uns auch weiterhin mit unseren Geschäftspartnern und Lieferanten dazu auszutauschen und ein gemeinsames Verständnis entwickeln. Denn die industrieweiten Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen.