Er ist eine der rettenden Stimmen im Hintergrund. Seit 2012 ist Sirko Wolff Teil der Mercedes-Benz Notruf Zentrale im Bosch Service Center in Magdeburg und unterstützt Unfallopfer in Notfällen.
Herr Wolff, wie wird man eCall-Agent?
Ursprünglich komme ich aus einer anderen Abteilung von Bosch und bin in diese Aufgabe hineingewachsen. Wir absolvieren natürlich vorher spezielle Trainings, in denen es zum Beispiel um die Gesprächsführung in Notfallsituationen geht. Aber Theorie ist das eine – in der Praxis sieht die Welt oft ganz anders aus. Dann muss man sich blitzschnell auf den jeweiligen Notfall und die betroffenen Menschen einstellen.
Mit wie vielen Kollegen zusammen kümmern Sie sich denn um Nöte und Notfälle von Mercedes-Benz Fahrern?
Hier in Magdeburg sind 15 Mitarbeiter für den Mercedes-Benz Notruf tätig, mit Berlin und Barcelona sind es europaweit insgesamt 200 Kollegen. Entscheidend ist ja, dass wir wirklich rund um die Uhr, also 24/7 das ganze Jahr über, erreichbar sind. Wir arbeiten darum in drei Schichten. In einer Warteschleife soll schließlich kein Hilfesuchender hängenbleiben – 99 Prozent aller Anrufe nehmen wir binnen der ersten zehn Sekunden an.
Was braucht man denn in diesem Job besonders – Einfühlungsvermögen oder einen kühlen Kopf?
Verständnis für die Betroffenen, sich einfühlen und auf Situationen einstellen können. Denn nicht jeder Mensch reagiert im Notfall gleich: Manche werden sofort panisch und schreien, während andere selbst mit schwersten Verletzungen ruhig bleiben. Und nicht immer geht es um Leib und Leben: Manche drücken die Taste auch und fragen dann, wo der Tankdeckel ist. Auch dann sind wir natürlich freundlich und hilfsbereit. Schließlich übernehmen wir eine Filterfunktion für die Rettungskräfte, indem wir uns auch um solche Anrufe kümmern. Sollten die technischen Fragen ins Detail und über den Tankdeckel hinausgehen, leiten wir die Anfrage an das Mercedes-Benz Customer Assistance Center in Maastricht weiter.
Wie viele Notrufe gibt es am Tag etwa, und wie viele davon sind wirkliche Notfälle, bei denen Sie Einsatzkräfte benachrichtigen müssen?
Nehmen wir als Beispiel gestern: Da waren es europaweit 650 Anrufe insgesamt. Davon sind ca. drei Prozent wirkliche Notfälle, also wenn zum Beispiel die Airbags ausgelöst wurden oder jemand einen Herzinfarkt hatte. Eine Schicht ganz ohne Anrufe habe ich persönlich jedenfalls noch nicht erlebt. Maximal sind es 20-30 pro Schicht.
Gibt es spezielle Tageszeiten, an denen besonders viel los ist?
Analog zum Verkehrsaufkommen: Morgens ist viel los, wenn die Menschen auf dem Weg zum Büro sind, und dann nachmittags wieder, wenn sie zurückfahren. Und natürlich in der Ferienzeit, oder wenn der erste Schnee fällt.
Gibt es Notfälle, an die Sie sich besonders erinnern?
An einen Herzinfarkt. Da hat sich der Autofahrer mit letzter Kraft noch selbst gemeldet und von Schweißausbrüchen erzählt. Wir konnten rechtzeitig einen Notarzt vor Ort schicken.
Wie können Sie da abends abschalten?
Wenn der obligatorische Gang um den Häuserblock nicht ausreicht, können wir nach schlimmen Notfällen auch den Tag freinehmen. Und unser Arbeitgeber bietet selbstverständlich psychologische Unterstützung im Nachgang an, wenn wir das wünschen. Aber mit einer professionellen Herangehensweise funktioniert das Abschalten eigentlich gut. Da legt sich bei mir automatisch ein Schalter um. Das ist ja auch während der Schicht wichtig: Wenn ein Notruf abgeschlossen ist, gilt unsere Konzentration immer dem nächsten Notfall.
Eine Besonderheit des Mercedes-Benz Notrufs ist ja, dass der Anrufer mit Ihnen in seiner Sprache kommunizieren kann, auch wenn er im Ausland unterwegs ist. Wie alarmieren Sie zum Beispiel auf Spanisch einen Rettungswagen?
Das ist möglich durch unseren Zwei-Agenten-Ansatz: Ein Agent kommuniziert mit dem Autofahrer in der Sprache, die dieser im Infotainment-System des Fahrzeugs eingestellt hat. Da decken wir europaweit übrigens elf Sprachen ab. Und ein zweiter Agent spricht dann mit der jeweiligen nationalen Rettungsleitstelle zum Beispiel auf Spanisch. Beide Agenten tauschen die Informationen dabei auf Englisch über eine Chat-Funktion aus.
Wie kann man sich Ihren Arbeitsplatz generell vorstellen? Sie bekommen bei einer Airbagauslösung ja auch Informationen über Ort des Unfalls, Passagierzahl etc. automatisch übermittelt?
Genau. Wir bekommen die GPS-Daten und können uns auf einem Kartenausschnitt anschauen, wo sich das Fahrzeug befindet. Hinzu kommen weitere Informationen über Anzahl der Passagiere – das erfolgt über die Meldung der Sitzplatzbelegung bzw. der benutzten Gurtschlösser – und Fahrzeug, also zum Beispiel Modell, Farbe oder Antriebsart. Dazu hat Bosch eine spezielle Bedienoberfläche programmiert, auf der wir diese Daten grafisch aufbereitet schnell und intuitiv erfassen können.
Haben sich Unfallopfer nochmal bei Ihnen gemeldet und sich bedankt?
Persönlich noch nicht. Aber es gibt Leitstellen der Polizei, die sich nach einem Notfall nochmal bei uns gemeldet und uns für die gute Zusammenarbeit gelobt haben.
Foto: Bosch Service Solutions