Herr Bürgel, bitte blicken Sie doch einmal aus Ihrer Position heraus an den Anfang der Lieferkette, wo oftmals ein hohes Risiko besteht, dass Menschen- und Arbeitsrechte verletzt werden. In welcher Hinsicht kann und muss Mercedes-Benz sicherstellen, dass es dazu nicht kommt?
Marc-André Bürgel: Es ist tatsächlich so, dass menschenrechtliche Risiken häufig dort am größten sind, wo unser Einfluss am geringsten ist, nämlich in den Minen und Abbaugebieten am Anfang der Lieferketten. Hier fehlt uns der direkte Durchgriff, weil wir Rohstoffe für gewöhnlich nicht selbst beziehen. Dennoch setzen wir uns intensiv dafür ein, bis dorthin positiven Einfluss zu nehmen. Zum Beispiel, indem wir unseren direkten Lieferanten die Vorgabe machen, unsere Responsible Sourcing Standards zu berücksichtigen und unsere Anforderungen zum Schutz der Menschenrechte an ihre Lieferanten weiterzugeben. Aber auch, indem unser Einkauf ambitionierte Bergbaustandards zur Vergabevoraussetzung macht. Zudem verschaffen wir uns risikobasiert selbst einen Eindruck von der Lage in den Abbaugebieten. 2022 waren Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo, um sich Kobaltminen anzusehen. Gleichzeitig können wir auch aus Deutschland heraus einiges bewirken, indem wir entsprechende Prozesse und Maßnahmen zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt entwickeln und umsetzen. Wir haben damit frühzeitig und aus eigenem Antrieb begonnen. Zugleich ist kein Unternehmen jemals „ganz fertig“ mit menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenprozessen. Auch wir entwickeln unsere Aktivitäten kontinuierlich weiter. Wenn wir über die gesamte Lieferkette sprechen, werden auch bei großem Bemühen und systematischem Lieferkettenmanagement immer Restrisiken bleiben. Am meisten erreichen wir, wenn wir versuchen, gemeinsam mit Lieferanten und Partnern die Situation für die Menschen zu verbessern.
Frau Viebig, wie ist Ihre Perspektive? Welche Verantwortung hat Mercedes-Benz, wenn es darum geht, die Menschenrechte zu wahren, aber auch im Sinne der globalen Entwicklungsziele Chancengleichheit in puncto Wohlstand, Bildung und Teilhabe zu fördern?
Elisabeth Viebig: Ich beantworte diese Frage bewusst im Rahmen unserer gesellschaftlichen Verantwortung, und nicht aus der unternehmerischen Perspektive, denn auch dort zahlen wir als Arbeitgeber und verantwortungsvoller Geschäftspartner auf soziale Nachhaltigkeitsziele ein. Im Bereich Corporate Citizenship arbeiten wir themenbasiert und flankierend zum Kerngeschäft daran, Nachhaltigkeitsmaßnahmen des Konzerns zu ergänzen, und gleichzeitig proaktiv einen Mehrwert für die Gesellschaft zu erzielen. Neben dem nachhaltigen Umweltschutz und der Katastrophenhilfe und -vorsorge zielt unser Engagement auch darauf ab, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Dazu zählen Aktivitäten in den Bereichen Menschenrechte, Bildungsgerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Diversität. Wir haben den Anspruch, zu jedem dieser Themen durch freiwilliges Engagement einen validen Beitrag zu leisten.