Zusammenhalt.

Interview mit Ian Afful

Rassismus hat bei Mercedes-Benz keinen Platz!

21. März 2023 – Anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus unterhielten wir uns mit Ian Afful über Rassismus im Alltag und seine eigenen Erfahrungen. Ian Afful ist unter anderem der Functional Compliance Officer der Mercedes-Benz Mobility.

Herr Afful, Sie sind Functional Compliance Officer. Was machen Sie konkret?

Als Functional Compliance Officer der Mercedes-Benz Mobility wirke ich darauf hin, dass geltende Gesetze und Vorschriften eingehalten werden. Das können Gesetze, aber auch konzerninterne Regelungen, Vereinbarungen und Standards sein. Wir als Compliance Organisation integrieren diese Gesetze und Vorschriften in die Geschäftsprozesse von Mercedes-Benz. Zudem versuchen wir, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren und schulen und beraten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Aus Ihrer beruflichen Sicht als Compliance-Experte: Wie ordnen Sie Rassismus ein?

Unser internes Grundgesetz, die Verhaltensrichtlinie, regelt, an welchen Grundsätzen wir unser Handeln ausrichten – im Umgang innerhalb des Konzerns genauso wie gegenüber Kunden und Geschäftspartnern. Wir brauchen das, um uns immer wieder danach ausrichten zu können und einen verbindlichen Maßstab für unser Verhalten zu haben. Jegliche Form der Diskriminierung, also auch Rassismus, widerspricht unserem Selbstverständnis und hat bei Mercedes-Benz keinen Platz. Unsere gemeinsame Aufgabe muss sein, ein faires, wertschätzendes und kollegiales Arbeitsumfeld zu schaffen. Laut Artikel 3 des Grundgesetzes sind alle Menschen gleich und dürfen nicht benachteiligt werden – Rassismus ist somit verboten. Ganz klar: Wer sich rassistisch verhält oder äußert, begeht einen Compliance-Verstoß, der in letzter Konsequenz zur Kündigung führen kann. Für die durch Rassismus betroffene Person sind die Auswirkungen von rassistischem Verhalten oder Äußerungen aber noch viel weitreichender.

Anlässlich unserer internen Kampagne zum respektvollen Umgang, mit der wir die Belegschaft für die Themenfelder Diskriminierung, Mobbing und sexuelle Belästigung sensibilisieren wollen, haben Sie sich dazu bereit erklärt, mit uns über das Thema zu sprechen. Wie schauen Sie auf die Kampagne?

Ich fand diese Aktion gut und besonders gefallen hat mir, dass es dort vor allem um die weniger klaren Bereiche geht – um Erlebnisse, bei denen man sich manchmal gar nicht sicher ist: War das jetzt schon rassistisch? Das ist ein Thema, mit dem ich mich schon länger selbst beschäftige. Ich dachte, dass ich davon berichte.

Ian Afful.
Ian Afful.

Haben Sie ein Beispiel?

Es ist gar nicht so lange her, dass mich ein niederländischer Kollege gefragt hat: „Wo kommst du eigentlich her?“ Und ich sagte: „Ich bin in London geboren und in Hamburg aufgewachsen.“ Er: „Wie, so richtig?“ Und dann habe ich geantwortet: „Du meinst, wo meine Vorfahren herkommen? Meine Vorfahren kommen aus Ghana.“ Er schaute mich an und erwiderte: „Das hätte ich gar nicht gedacht. Ich hätte bei deiner Hautfarbe eher auf den Kongo getippt.“ Da habe ich ihn angeschaut und gemeint: „Sag mal, wie heißt eigentlich die Fußballmannschaft, die ich immer mit Kamerun verwechsle? Ach ja, Holland!“ Und dann haben wir gelacht und er hat gesagt: „Point taken.“ Für mich ist der Kollege kein Rassist, sondern war einfach unsensibel. Die Aussagen hätten aber auch einen rassistischen Hintergrund haben können.

Wo beginnt Rassismus für Sie?

Ich habe für mich selbst bisher keine klare, immer passende Definition gefunden. Natürlich geht es im Wesentlichen darum, was ein Verhalten oder eine Äußerung beim Empfänger auslöst und ob sie die Person verletzt. Aber es hängt meiner Meinung nach auch ganz erheblich davon ab, wie sie gemeint ist. Es geht also um die konkrete Situation und Intention des Gegenübers. Und nochmal: Es geht nicht um die krassen, offensichtlich rassistischen Beleidigungen, sondern um die Grenzbereiche. Wie das Beispiel eben gezeigt hat: Ich für mich unterscheide hier zwischen unsensiblen Menschen und Rassisten.

Sobald ich den Eindruck habe, etwas könnte rassistisch gemeint sein, mache ich immer den Test: Ich versuche herauszufinden, wie die Intention des Gegenübers ist. Ich frage nach und vertiefe das Gespräch mit der Person, um mehr Informationen zu gewinnen.

Rassismus, beziehungsweise den Eindruck, Rassismus erfahren zu haben, definieren andere für sich - zu Recht – vielleicht anders, als ich das tue. Deshalb ist es so wichtig, bei diesem Thema Aufmerksamkeit zu schaffen und Grenzbereiche aufzuzeigen.

Ist es Ihrer Meinung nach überhaupt noch möglich, die Frage nach der Herkunft zu stellen, ohne mein Gegenüber zu verletzen?

Warum fragt man das? Um einen negativen Satz hinterherzuschießen, nach dem Motto: „Seid ihr immer noch so unterentwickelt?“ Oder sich anderweitig abfällig zu äußern? Dann ist das rassistisch. Oder fragt man, weil man wirklich interessiert ist? Die meisten Leute, die die Frage nach der Herkunft stellen, haben meiner Erfahrung nach tatsächlich Interesse. Sie haben zum Beispiel eine Verbindung zu dem Land. Ich stelle diese Frage oft selbst. Vor ein paar Jahren hatte ich mal angefangen, die persische Sprache Farsi zu lernen. Ich mag den Klang der Sprache sehr und hatte während der Schulzeit viele Freunde aus dem Iran. Ich saß einmal im Taxi und habe den Taxifahrer gefragt, wo er denn herkommt und ob er Farsi spricht. Der Taxifahrer kam tatsächlich aus dem Iran und so brachte ich die paar Sätze Farsi an, die ich konnte. Wir lachten zusammen und unterhielten uns.

Wie sind Ihre konkreten Erfahrungen im Arbeitsalltag?

Ian Afful: Ein Beispiel: Ich habe im Laufe meiner 35 Berufsjahre schon recht häufig die Erfahrung gemacht, dass Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie mich kennenlernen, sehr laut und langsam sprechen. Manchmal muss ich dann lachen, weil es komisch wirkt. Immerhin ist das im Nachhinein dann vielen peinlich. Es gäbe auf diesem Niveau weitere Beispiele, die ich mir aber sparen möchte. Ich genieße das Umfeld, in dem ich gerade arbeite. Wenn eine Kollegin oder ein Kollege über mich spricht, dann wird über Ian Afful in seiner Rolle beziehungsweise in seiner Funktion gesprochen und nicht über sachfremde Punkte. So wünsche ich es mir auch in Zukunft weiterhin für mich und für alle anderen.

Wenn Sie sofort etwas ändern könnten: Was genau würden Sie sich wünschen?

Ian Afful: Ich würde mir natürlich wünschen, dass es gar keinen Rassismus mehr gibt. Leider ist das nicht sehr realistisch. Vielleicht ist es ein gutes Ziel, dass sich alle noch stärker mit den Grenzbereichen auseinandersetzen. Man kann sich dann selbst korrekt verhalten und auch anderen dabei helfen. Wie in der internen Unternehmenskampagne zum respektvollen Umgang dargestellt, sind wir alle anders und das fast überall. Das muss jeder und jedem klarwerden.