Damit zukünftig auch vollautomatisierte Fahrzeuge (Level 4) in festgelegten Bereichen im öffentlichen Straßenverkehr fahren können, wurde eigens das deutsche Straßenverkehrsgesetz geändert. 2017 trat bereits das Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft, mit dem 2021 verabschiedetem Gesetz zum autonomen Fahren wurde ein weiterer Schritt in Richtung Regelbetrieb gegangen. Entsprechend der Gesetzesänderungen müssen Fahrzeuge mit automatisierter Fahrfunktion über jene technischen Systeme verfügen, die es dem Fahrzeug ermöglichen, selbständig die an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften einzuhalten. Das mag zunächst einfach klingen – ist in der praktischen Umsetzung aber sehr anspruchsvoll. Schließlich ist die deutsche Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) , die die geltenden Verkehrsvorschriften in Deutschland definiert, nicht als Vorlage für die Programmierung von technischen Systemen ausgelegt.
„Unsere Entwickler und Programmierer konnten ja nicht einfach die StVO nehmen und in ihre Systeme laden“, erklärt Höhmann. „Dennoch haben wir hier gemeinsam einen Weg gefunden, die StVO quasi in Maschinensprache zu übersetzen.“ In monatelanger Arbeit haben er und viele beteiligte Kolleginnen und Kollegen aus der Rechts- und Compliance-Abteilung, Entwicklung, Produktsicherheit und Zertifizierung jede einzelne Vorschrift der StVO geprüft und Wege für deren technische Über- und Umsetzung erarbeitet. „Das Ergebnis dieser bereichsübergreifenden Zusammenarbeit sind die sogenannten Daimler Automated Driving Requirements – kurz DADR. Sie helfen uns dabei, die komplexen Anforderungen hinsichtlich Recht, Ethik und Produktsicherheit umzusetzen“, freut sich Höhmann über den Erfolg. Dank seiner Expertise in der Fahrzeugentwicklung einerseits und bei Recht und Compliance andererseits, ist er in seinem Job täglich als eine Art Übersetzer zwischen den unterschiedlichsten Fachbereichen unterwegs. Es ist dieses interdisziplinäre Arbeiten, das Höhmann so schätzt: „Ohne das Know-how der unterschiedlichsten Fachkollegen und Bereiche wäre dieses Projekt, das im ersten Schritt für Deutschland umgesetzt wurde, nicht möglich gewesen.“
Wie vielseitig die Herausforderungen beim automatisierten und vernetzten Fahren sind, zeigt auch ein anderes Projekt, an dem Höhmann in den vergangenen Monaten im Rahmen des technical Compliance Managements Systems (tCMS) von Mercedes-Benz beteiligt war. Das tCMS unterstützt die Ingenieure unter anderem bei anspruchsvollen Auslegungsfragen sowie technisch komplexen und unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen in der Produktentwicklung.
„Dabei ging es um die Frage, was unser Vergleichsmaßstab für die Leistungsbeurteilung unserer automatisierten Fahrsysteme sein soll, wenn wir über die Sicherheit und die Einhaltung von Verkehrsregeln reden. Ein Beispiel: Sollten sich unsere Systeme im Straßenverkehr am Fahrverhalten eines durchschnittlichen Fahrers oder an dem eines professionellen Fahrers orientieren?“ beschreibt Höhmann das Grundproblem. Keine leichte Entscheidung für die Entwickler, da neben technischen Anforderungen vielfältige rechtliche und auch ethische Aspekte berücksichtigt werden müssen. „Aufgrund dieser Komplexität wurde diese Frage im Rahmen des Mercedes-Benz tCMS Clearings bearbeitet“, so Höhmann. In diesem Prozess werden komplexe und abwägungsbedürftige Fragestellungen insbesondere unter Berücksichtigung technischer, rechtlicher und zertifizierungsrelevanter Kriterien in interdisziplinär besetzten Gremien bewertet und entschieden. Höhmann selbst war im Clearing Team dabei, das den Sachverhalt geprüft und für die Entscheidung vorbereitet hat.