Es ist der erste kalte Wintermorgen seit langem. So kalt, dass Stefan Sellner erst einmal die Windschutzscheibe des weißen E-Klasse Coupé von einem dünnen Eisfilm befreien muss, bevor es losgehen kann. Losgehen mit der Arbeit, versteht sich. Denn von Losfahren kann keine Rede sein: Es ist ziemlich offensichtlich, dass das Auto den Parkplatz der Mercedes-Benz Niederlassung so schnell nicht mehr verlassen wird – obwohl es doch nur ein paar Monate alt ist. Der Kühlergrill ist völlig verbeult, der Stoßfänger liegt neben dem Fahrzeug und die tiefen Kratzer an der Seite wirken wie eine fette Narbe im einst so makellosen diamantweißen Lack.
Genau diese Spuren, diese Beulen und diese Narben sind es, die Stefan Sellner und seinen Kollegen Uwe Nagel hierhergeführt haben. Beide arbeiten in der Unfallforschung von Mercedes-Benz in Sindelfingen. Für sie ist das weiße Coupé ein ganz normaler Einsatz. Uwe Nagel hatte ein paar Tage zuvor schon telefonisch Kontakt mit dem Unfallfahrer – und hat sich gut eingeprägt, wie der den Crash erlebt hat: „Er war bei Regen auf der Autobahn unterwegs und fuhr auf der linken Spur. Er sagt, dass das Fahrzeug dann schlagartig ausgebrochen sei. Er hat wohl noch versucht, den Wagen durch Lenken und Bremsen aufzufangen. Dabei hat er sich gedreht, ist frontal gegen die Leitplanke geprallt und kam dann auf dem Seitenstreifen zum Stehen.“