Daimler glaubt an die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Mittlerer Neckar – und rüstet sich für die Zukunft

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Autoland, wohin?

Seit Jahrzehnten gilt Baden-Württemberg und speziell der Raum Mittlerer Neckar als so etwas wie das „Automobilwunderland“. Dort, wo das Auto erfunden wurde, sorgt es bis heute für Arbeit und Wohlstand. Doch das Auto von heute wird nicht das Auto von morgen sein. Was macht das mit dem Land und seinen Menschen? Ist man auf den Strukturwandel vorbereitet – oder droht gar der Niedergang einer ganzen Region?

10 Min. Lesedauer

von Christian Scholz, Autor
erschienen am 19. Dezember 2019

Die SWR-Hitparade  feierte in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag. Dort, wo per Hörerabstimmung die besten Lieder aller Zeiten ermittelt werden, platzierte sich auch dieses Jahr wieder eine Stuttgarter Band in den Top 10. Die Rede ist von der A-Capella-Truppe „Füenf“ mit dem Stück „Mir im Süden “. Vielleicht liegt der große Zuspruch an Zeilen wie dieser: „Mir im Süden stellen die hochwertigeren Kraftfahrzeuge her (…), denn in technischen Bereichen kann sich leider kaum einer mit uns vergleichen“.

Die Zeilen mögen etwas holprig klingen, gleichwohl erklären sie sehr gut, worauf die Menschen im Südwesten besonders stolz sind: Hier wurde das Auto erfunden und hier zählt in puncto „Heilig’s Blechle“ noch immer das, was Gottlieb Daimler einst vorgab: „Das Beste oder nichts“. Schließlich ist das Automobil Garant für eine florierende Wirtschaft und damit für Arbeitsplätze und Wohlstand.

Die Automobilindustrie ist neben dem Maschinenbau der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Baden-Württemberg – und der Raum Mittlerer Neckar ist quasi ihre Herzkammer. Manche sprechen in Anlehnung an das Silicon Valley gar vom „Neckar Valley“. Firmen wie Daimler, Porsche, Bosch und zahlreiche Zulieferindustrien sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen sorgen dafür, dass die Region auch ein Jobmotor ist: Die Arbeit von knapp einer halben Million Menschen in Baden-Württemberg ist direkt oder indirekt ans Automobil gekoppelt.

Das Werk Untertürkheim von oben. Im Vordergrund die Mercedes-Benz Arena.
Das Werk Untertürkheim von oben. Im Vordergrund die Mercedes-Benz Arena.

Doch dieser Segen kann schnell zum Fluch werden, denn die Abhängigkeit vom Automobilsektor ist hoch; gleichzeitig steht diese Schlüsselindustrie vor einem fundamentalen Wandel: Durch die Digitalisierung und die Elektrifizierung der Autos. Viele sagen, das Auto werde sich in den nächsten zehn Jahren stärker verändern als in den zurückliegenden 130. Und keiner kann heute mit Sicherheit vorhersagen, wie dieser Wandel wirklich gelingt – und wie schnell er sich tatsächlich vollzieht. Oder kurz gesagt: Der Jahrzehnte währende Erfolg der Region ist zugleich ihr größtes Zukunftsrisiko.

Deshalb fragen sich viele Menschen in Baden-Württemberg zurecht: Was passiert mit uns, wenn der Motor ins Stocken gerät, weil die Nachfrage nach Verbrennern nachlässt und die Transformation hin zur Elektromobilität, zum Autonomen Fahren und hin zu neuen Mobilitätskonzepten wie CarSharing nicht nur sehr viel Geld kostet, sondern womöglich auch sehr viele Arbeitsplätze?

Ungewissheit nährt Sorgen. Allem voran die Sorge, möglicherweise einmal so zu enden wie die Industriestädte Detroit (Michigan) und Dayton (Ohio). Dort, im Nordosten der Vereinigten Staaten, wo jahrzehntelang Innovationen entstanden und große Autokonzerne für Beschäftigung und Wohlstand sorgten, prägen heute Einwohnerschwund, Arbeitslosigkeit und heruntergekommene Häuserfronten das Bild. Nein, solche Bilder mag man sich im „Gehsteigkehrer-Ländle“ (wie die ZEIT einmal schrieb) wirklich nicht vorstellen.

Blick aufs „Neckar Valley“.
Blick aufs „Neckar Valley“.

Wandel als Langstreckenprojekt

Noch gibt es auch keinen akuten Grund für solch Schwarzmalerei, denn die Chancen stehen gut, dass die Region mit dem sich abzeichnenden Strukturwandel besser zurechtkommt als die genannten US-Industriestädte, oder auch das Ruhrgebiet, als dort das Zechensterben begann. Denn hierzulande müssen keine neuen Industrien angesiedelt werden (wie dies im Ruhrgebiet über Jahrzehnte geschehen musste), wenn die bestehende Industrie in der Lage ist, mit der Zeit zu gehen und sich selbst neu zu erfinden.

Und das ist den Menschen in der Region (egal ob Schwaben, Badener oder Zugezogene) zuzutrauen. Denn Fleiß, Beharrlichkeit und Ideenreichtum waren hier schon immer beheimatet. Und alle drei Eigenschaften werden mehr denn je gefragt sein, um auch auf der Langstrecke erfolgreich zu sein. Politik und Wirtschaft sind sich dessen bewusst, denn sie wissen: Das größte Risiko für die ganze Region und das ganze Bundesland wäre ein Festhalten am Status Quo. Was es braucht, das sind dagegen gute Ideen, die Antworten auf aktuelle Fragen geben.

Und die lauten: Was können wir gegen den Klimawandel tun? Wie gestalten wir individuelle Mobilität auch in Zukunft so nachhaltig, dass sie mit einer lebenswerten Umwelt einhergeht? Wie nutzen wir die Digitalisierung für mehr Sicherheit, Komfort und einen besseren Verkehrsfluss? Und welche Mobilitätslösungen braucht es in Städten und Ballungsräumen, die der wachsenden Zahl von Menschen gerecht wird? Klar ist: Dort, wo Gottlieb Daimler im Jahr 1886 die Zukunft erfunden hat (und nicht zu vergessen parallel Carl Benz im nicht allzu weit entfernten Mannheim), und wo die Technologieführerschaft rund ums Automobil zu Hause ist, dort muss sie heute noch einmal erfunden werden: Eine nachhaltige, verantwortungsvolle und gleichzeitig selbstbestimmte Mobilität.

Gefragt: Innovationen und Weiterbildung

Franz Loogen ist Geschäftsführer der Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive e-Mobil BW GmbH  und Mitherausgeber der Strukturstudie BWe mobil , die in diesem Jahr erschien. Er beschäftigt sich täglich mit der Frage, wie es mit dem Automobilsektor in Baden-Württemberg weitergeht: Loogen ist sich sicher, dass der Standort zunehmend in einem internationalen Innovationswettbewerb stehe, in dem es um die besten Lösungen für nachhaltiger Mobilität geht. Das was war, das zähle dabei nicht mehr viel. Tradition sei wichtig, aber kein Garant für künftigen Erfolg. Im Gespräch mit uns lässt er daran keine Zweifel, wenn er feststellt:

„Das Land Baden-Württemberg und sein starker Automobil-Cluster von Herstellern und Zulieferern steht zwar heute noch an der Spitze der automobilen Wirtschaft. Und die Voraussetzungen sind durchaus vorhanden, diese Position zu behaupten. Aber das wird keineswegs ein Selbstläufer. Der internationale Wettbewerbsdruck ist gestiegen; neue Player auch aus anderen Branchen drängen in den Markt. Notwendig ist neben der Lieferung der etablierten Technologien, der wirtschaftliche Hunger, auch in den neuen Technologien im weltweiten Wettbewerb ganz vorne zu stehen.“

Franz Loogen ist Geschäftsführer der Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive e-Mobil BW GmbH und Mitherausgeber der Strukturstudie BWe mobil.
Franz Loogen ist Geschäftsführer der Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive e-Mobil BW GmbH und Mitherausgeber der Strukturstudie BWe mobil.

Auch das Prinzip des lebenslangen Lernens gehöre dazu. Viele Fachkräfte im Land würden sukzessive in ihren unterschiedlichen Rollen von diesem Prozess betroffen sein. „Wir brauchen daher rechtzeitig Qualifizierungsstrategien, um Beschäftige auf neue Aufgaben in langfristig gewinnträchtigen Zukunftsfeldern vorzubereiten“, erklärt Loogen. Natürlich hieße das auch, Dinge anders zu machen als bisher und beweglich zu bleiben. Er sei da aber zuversichtlich, denn die Menschen in Baden-Württemberg hätten seit jeher ein gutes Gespür für wirtschaftliche Trends und gesellschaftliche Entwicklungen gehabt.

Baden-Württemberg nimmt tatsächlich schon länger eine Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit ein. Viele sagen, sie entwickle sich sogar zu einem Markenzeichen des Landes. Schon 2007 startete die damalige Landesregierung eine entsprechende Initiative unter dem Motto „Heute das Morgen gestalten“.

Der Wandel kommt. Wie wandelt sich Daimler?

Auch wenn es manche gerne so darstellen, als hätte die Automobilindustrie die Zeichen der Zeit verschlafen: Bei Daimler arbeiten wir schon seit vielen Jahren erfolgreich an immer sparsameren Verbrennern und gleichzeitig an lokal emissionsfreien Antrieben: An Elektro- und an Wasserstoff-Autos. Doch lange war unklar, wann solche Produkte tatsächlich marktreif sind und es auch eine entsprechende Nachfrage gibt.

Die gibt es nun. Doch im Gegensatz zu elektronischen Geräten, wie beispielsweise Smartphones, haben Autos einen vielfach längeren Entwicklungszyklus. Schließlich müssen sie Menschen so sicher wie möglich befördern und die verbaute Technik muss entsprechend ausgereift und erprobt sein. Dafür sind einige Jahre bis zur Serienreife eines Fahrzeugs notwendig. Doch das heißt nicht, dass wir bei Daimler nicht bereits mit Hochdruck auf eine komplett CO2-neutrale Neuwagen-Flotte hinarbeiten. Dafür steht ein Investitionsvolumen von mehr als zehn Milliarden Euro bereit.

Mit unserer Ambition 2039 ist der Weg dorthin klar vorgezeichnet: Der Fokus liegt darin auf der batterieelektrischen Mobilität. Im Jahr 2030 wollen wir mehr als die Hälfte unserer Autos mit Elektroantrieb verkaufen. Das sind zum einen Plug-in Hybride, wie wir sie schon länger im Programm haben, und natürlich auch rein elektrische Fahrzeuge, denen die Zukunft gehört.

Mit dem Mercedes-Benz EQC 400 4MATIC (Stromverbrauch in kWh/100 km (NEFZ): 21,3-20,2; CO2-Emissionen in g/km kombiniert*) kam das erste Auto dieser Art im Sommer 2019 auf den Markt. Im August feierte zudem der Concept EQV seine Weltpremiere, die erste rein batterieelektrisch angetriebene Großraumlimousine im Premium-Segment. Und viele weitere EQ-Modelle, auch Kompakte, werden folgen. Und im gewerblichen Bereich ist der eVito ist schon im Markt, der eSprinter folgt in Kürze.

Elektrofahrzeuge von Mercedes-Benz tanken Strom.
Elektrofahrzeuge von Mercedes-Benz tanken Strom.

Von der Baumwollspinnerei zur Batteriefabrik

Dass die Zukunft der Mobilität elektrisch sein wird, bestreitet kaum noch jemand. E-mobil BW rechnet damit, dass 2030 sieben bis zehn Millionen E-Pkw auf deutschen Straßen unterwegs sein werden, was wiederum bedeuten würde, dass sich bis 2030 der Marktanteil an elektrifizierten und elektrischen Pkw auf zirka 50 Prozent steigern wird. Doch was bedeutet das für die Menschen, die heute in der Automobilproduktion tätig sind?

Frank Deiß ist Leiter des 1904 gegründeten Stammwerks von Mercedes-Benz in Untertürkeim und Chef von gut 19.000 Menschen zwischen Bad Cannstatt und Esslingen. Sie bauen noch größtenteils herkömmliche Verbrennungsmotoren, Getriebe, Achsen und Komponenten. Sind dies schon bald Auslaufmodelle? Deiß geht davon aus, dass moderne Verbrenner noch über viele Jahre ein wichtiger Bestandteil des Antriebsmix bleiben werden: „Dazu zähle ich ausdrücklich auch die neueste hocheffiziente Diesel-Generation, die eine bessere CO2-Bilanz aufweist als vergleichbare Benziner“. Prognosen gehen davon aus, dass auch im Jahr 2030 in Deutschland noch Zweidrittel der Pkw verbrennungsmotorisch angetrieben werden.

Frank Deiß, Leiter Produktion Powertrain Mercedes-Benz Cars und Standortverantwortlicher Werk Untertürkheim.
Frank Deiß, Leiter Produktion Powertrain Mercedes-Benz Cars und Standortverantwortlicher Werk Untertürkheim.

Am Standort werden aber ebenso Antriebe für Hybride und sogenannte „Mild Hybrids“, also Fahrzeuge mit 48-Volt Bordnetz produziert. Gleichzeitig schaffe man weitere Voraussetzungen für die elektromobile Zukunft. „Im Frühjahr haben wir zusammen mit Ministerpräsident Kretschmann den Grundstein für die Batteriefabrik im Werksteil Brühl gelegt“, erzählt Deiß. „Die Fabrik ist eine von insgesamt neun innerhalb unseres globalen Batterie-Produktionsverbundes“. Dafür investiert das Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro. Übrigens: Nicht nur die Fahrzeuge, auch die Produktion soll CO2-neutral werden. Deshalb ist die Batteriefabrik in Brühl auf eine CO2-neutrale Energieversorgung ausgelegt – mit Strom aus regenerativen Quellen.

Produktion von Motoren und Antriebssträngen in Stuttgart-Untertürkheim.
Produktion von Motoren und Antriebssträngen in Stuttgart-Untertürkheim.

Die Batteriefabrik ist ein wichtiges Signal für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Region und zeigt, wie sich der Standort wandelt: Deiß: „Früher stand hier eine Baumwollspinnerei, heute produzieren wir ein paar hundert Meter weiter das Herzstück unserer Autos. Und schon bald steigen wir am Standort in die Produktion von Batterien ein. Mehr Transformation geht doch fast nicht.“ Und dabei bleibt es nicht: „Im Werkteil Mettingen gibt es ein E-Technikum, in dem Prototypen für den elektrischen Antrieb entstehen. Wir haben außerdem entschieden, dass die elektrifizierten Achsen für vollelektrische Fahrzeuge der Produkt- und Technologiemarke EQ im Werk Untertürkheim montiert werden.“

Kurz vor Weihnachten erreichte die Belegschaft eine weitere gute Nachricht: Nach Abschluss intensiver Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern wurde bekanntgegeben, dass auch Großteile des elektrischen Antriebsstrangs, das Herzstück eines E-Autos, am Standort gefertigt werden. Dazu gehören der kraftübertragende Radsatz, die Steuerung sowie die Montage zu einem Gesamtsystem. Ab Mitte der nächsten Dekade soll es mit der Produktion für die EQ-Modelle losgehen. Bei alldem verschweigt Deiß aber auch nicht, dass der Wandel Herausforderungen mit sich bringen wird. Schließlich können Transformationen nur gelingen, wenn man den Status-Quo immer wieder infrage stellt und alle Beteiligten zu Veränderungen bereit sind. Doch genau deshalb wurden frühzeitig die strategischen Weichen für die Transformation des Standorts gestellt.

Die aktuelle Entscheidung für den eATS ist die konsequente Weiterführung der Transformation des Werks Untertürkheim. In drei Zukunftsbildern wurden in den letzten Jahren zwischen Werkleitung und Betriebsrat Maßnahmenpakete verhandelt, die das Werk zukunftsfähig ausrichten sollen. In der Anlauffabrik für die Batterieproduktion in Nabern werden Kolleginnen und Kollegen aktuell schon für die spätere Produktion in Brühl geschult. Und in einem Pilotprojekt mit der IHK Böblingen gibt es Weiterbildungsprogramme zur Elektrofachkraft und Fachkraft für Hochvolt. Der Blick auf das Stammwerk Untertürkheim zeigt: Der Wandel hin zur Elektromobilität ist dort bereits in vollem Gange. Doch eines steht für Deiß dabei weiter an erster Stelle: „Wir müssen flexibel und effizient auf die Marktnachfrage reagieren können – egal ob es um moderne Verbrenner, Hybride oder rein elektrische Fahrzeuge geht“.

Der Mercedes-Benz EQC trägt an Vorder- und Hinterachse je einen kompakten elektrischen Antriebsstrang (eATS) und hat damit die Fahreigenschaften eines Allradantriebs.
Der Mercedes-Benz EQC trägt an Vorder- und Hinterachse je einen kompakten elektrischen Antriebsstrang (eATS) und hat damit die Fahreigenschaften eines Allradantriebs.

Auch die Politik ist gefordert

Niemand wird behaupten wollen, dass die Automobilindustrie den langfristigen Wandel zur emissionsfreien Mobilität alleine zum Erfolg führen kann. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Und es kann nicht an den Wünschen des Kunden vorbei erfolgen. Er will weiter die Vorteile individueller Mobilität nutzen – und ist darauf auch angewiesen. Gerade in ländlichen Regionen, wo noch immer die Mehrheit wohnt. Dort lassen sich alternative Mobilitätslösungen wie CarSharing kaum rentabel darstellen auch der öffentliche Personennahverkehr ist nicht mit dem in großen Metropolen vergleichbar.

Wenn die Menschen also weiter individuell mobil bleiben wollen, dann muss selbstbestimmte Mobilität nachhaltiger und die Voraussetzungen dafür auch politisch gefördert und geschaffen werden. Das betrifft die Verkehrsinfrastruktur für die Logistik und den Pendlerverkehr, aber auch den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Hinzu kommt: Der Wechsel zur E-Mobilität muss dem Kunden schmackhaft gemacht werden – auch durch finanzielle oder steuerliche Anreize.

Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW  existieren Stande Juli 2019 knapp 21.000 öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte in Deutschland. In Baden-Württemberg sind es rund 3.404. Damit ist das Bundesland zwar deutschlandweit in der Spitzengruppe, doch damit wird es nicht getan sein. Deshalb forciert das Land den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur im Rahmen eines Förderprogramms, das sich treffenderweise „Safe“ nennt. Die Abkürzung steht für flächendeckendes Sicherheitsladenetz für Elektrofahrzeuge und umfasst ein Konsortium aus der EnBW sowie Stadtwerken, Versorgern und Kommunen.

Das Ziel: In einem Raster von zehn mal zehn Kilometern soll es mindestens eine Ladestation mit einer Ladeleistung von 22 Kilowatt oder mehr geben sowie in einem Raster von 20 x 20 Kilometern mindestens eine Schnellladesäule mit einer Ladeleistung von 50 Kilowatt oder mehr. Doch auch das kann nur ein Anfang sein, wenn E-Mobilität zum Massenmarkt werden soll – schließlich dauert ein Ladevorgang auch an einer Schnelladesäule länger als ein herkömmlicher Tankvorgang.

Mercedes me Charge ermöglicht auch den Zugang zu den Schnellladestationen des paneuropäischen Schnellladenetzes von IONITY. (
Mercedes me Charge ermöglicht auch den Zugang zu den Schnellladestationen des paneuropäischen Schnellladenetzes von IONITY. (

Hier ist nicht nur das Land, sondern ebenso der Bund gefordert. Seit dem Jahr 2009 hat die Bundesregierung Fördermittel in Höhe von rund fünf Milliarden Euro bereitgestellt. So wird der Kauf rein elektrischer Fahrzeuge mit 4.000 Euro gefördert, der von Plug-In Hybriden mit 3.000 Euro. 300 Millionen Euro fließen bis zum kommenden Jahr in den Ausbau von Schnell- und Normalladepunkten. Und für Dienstwagen, die ganz oder teilweise elektrisch unterwegs sind, wurde der Steuersatz für den geldwerten Vorteil auf 0,5 Prozent halbiert. Doch bei alledem darf eines nicht vergessen werden: Die Energiewende konsequent vorantreiben. Schließlich macht Elektromobilität nur dann wirklich Sinn, wenn der Strom regenerativ erzeugt wird.

Aber Bund und Land sind auch gefragt, wenn es darum geht, die Beschäftigung zu sichern. Konkret geht es da um Fort- und Weiterbildungsprogramme für Fachkräfte sowie eine frühzeitige Förderung von qualifiziertem Nachwuchs. Unter anderem soll der neue universitätsübergreifende „Innovationscampus Mobilität“ (eine Kooperation des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität Stuttgart) wissenschaftliche Impulse liefern. Dabei geht es vor allem um eine stärke Verknüpfung der Disziplinen und Bereiche IT, Elektrotechnik, Maschinenbau, Verkehrswesen, Digitalisierung und Klimaschutz.

„Wir werden langfristig weniger Beschäftige bei verbrennungsmotorischen Komponenten benötigen. Auch Produktivitätsfortschritte durch digitale Produktion oder effizientere Entwicklungsprozesse wirken dämpfend auf die Beschäftigung“, sagt Loogen. „Gleichzeitig gibt es aber auch vielfältige Beschäftigungschancen, zum Beispiel bei neuen Komponenten wie Leistungselektronik, Batterietechnologie und E-Maschinen oder Software.“

Innovation braucht Kooperation

All diese Beispiele verdeutlichen eines: Die Automobilindustrie kann noch so innovationswillig sein – der Wechsel zu nachhaltiger Mobilität ist ein Gemeinschaftsprojekt: Für eine bessere Umwelt, aber eben auch für gute Zukunftsperspektiven in der Forschung und in der Industrie und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Loogen: „Es muss das gemeinsame Ziel von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Beschäftigten sein, die Schlüsseltechnologien und damit auch die Arbeitsplätze im Land zu halten, um die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs und der Region Mittlerer Neckar zu erhalten.“ Dafür arbeitet e-mobil BW schon heute eng vernetzt mit Kommunen, Wissenschaft und Industrie zusammen.

Die Zukunft bei Mercedes-Benz ist elektrisch.
Die Zukunft bei Mercedes-Benz ist elektrisch.

Auch der von der Landesregierung Baden-Württemberg ins Leben gerufene „Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg“ fördert den Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherorganisationen, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft. Künftig will Baden-Württemberg, als Teil des europäischen Wirtschaftsraums, auch mit Regionen in die Europäischen Union noch stärker nach Partnerschaften suchen. Großen starke Verbünde sind auch notwendig, damit ein Klima entsteht, in dem Innovationen gedeihen können und die Suche nach Lösungen für eine nachhaltige Mobilität pragmatisch angegangen werden kann.

So wird es gelingen, dass Baden-Württemberg und die Region Mittlerer Neckar auch künftig zu den herausragenden Automobilstandorten in Europa und der Welt gehören und „mir im Süden“ nicht nur die hochwertigeren Kraftfahrzeuge herstellen, sondern auch die nachhaltigeren und damit weltweit nachgefragteren.

Christian Scholz

Als Kind schaffte er es in den 80er Jahren einmal mit einer Autozeichnung ins Mercedes-Benz Kundenmagazin. Er kreuzte damals Geländewagen und Coupés miteinander. Völlig verrückt! Und so nutzte er nach dem Studium den Bleistift doch lieber zum Texten als zum Zeichnen. Nach verschiedenen Stationen im Bereich Public Relations schreibt er seit 2012 für Daimler/Mercedes-Benz – über Geländewagen, Coupés und was das Unternehmen sonst noch so bewegt.

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