Autonomes Fahren: Recht und Ethik.

Recht und Ethik

Automatisiertes und autonomes Fahren.

Mit DRIVE PILOT hat Mercedes-Benz als erster Automobilhersteller eine weltweit gültige Systemgenehmigung für hochautomatisiertes Fahren nach SAE-Level 3 erhalten. Damit bietet das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden eine ganz neue Art der Mobilität. Doch zu neuen Technologien stellen sich auch neue rechtliche Fragen.

Der DRIVE PILOT von Mercedes-Benz ist bereits in Deutschland sowie in den USA in den Bundesstaaten Nevada und Kalifornien auf dem Markt. Das System ermöglicht der Person am Steuer die Fahraufgaben unter bestimmten Bedingungen an das Fahrzeug zu übergeben. Nebentätigkeiten wie ein Buch lesen, im Internet surfen, fernsehen oder einen Film streamen sind damit erstmals legal möglich. Damit bietet Mercedes-Benz das erste serienreife und zertifizierte SAE-Level-3-System nach den Vorgaben der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) an.

Grundsätzlich werden beim automatisierten Fahren fünf Stufen unterschieden. Während bei Level 1, dem assistierten Fahren, der oder die Fahrende das Fahrzeug ständig beherrschen muss, übernimmt das Auto bei Level 5 die komplette Fahraufgabe unter jeder Bedingung. Beim vollständig autonomen Fahren nach SAE-Level 5 ist der Mensch nur noch als Mitfahrender mit an Bord des Fahrzeugs, das sich eigenständig durch den Straßenverkehr bewegt.

Der Unterschied auf dem Weg von assistierten bis hin zu autonomen Systemen ist auch aus rechtlicher Sicht von großer Bedeutung.

Die Gesetzeslage in Deutschland

Seit der Änderung der Straßenverkehrsordnung im Juni 2017 ist es in Deutschland zulässig, ein Fahrzeug mit hochautomatisierter Fahrfunktion (SAE-Level 3) zu betreiben. Ist die Funktion aktiviert, darf sich die Person am Steuer vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden, muss jedoch jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle über das Steuer wieder zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Funktion im vom Hersteller festgelegten Betriebsbereich verwendet wird.

Mit dem sogenannten Gesetz zum autonomen Fahren im Jahr 2021 und der „Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung“ aus dem Jahr 2022 hat Deutschland den Rahmen für die rechtliche und technische Umsetzung des vollautomatisierten Fahrens SAE-Level 4 geschaffen. Das Gesetz erlaubt solchen Level-4 Fahrzeugen in Deutschland, ohne physisch anwesende Fahrerin oder Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen – allerdings nur in vorab genehmigten Betriebsbereichen, etwa als Shuttlebusse auf Firmengeländen oder bei Messen. Zusätzlich muss der Betrieb von vollautomatisierten Fahrzeugen dauerhaft von einer technischen externen Aufsichtsperson überwacht werden, die notfalls in die Fahrfunktion eingreifen und diese deaktivieren kann. Im Auto muss die Technische Aufsicht jedoch nicht zwangsläufig sitzen, sie kann auch per Funk zugeschaltet sein.

Olaf Schick.

Automatisiertes Fahren benötigt international einheitliche Gesetze. Nur so können wir teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge über Ländergrenzen hinweg schnell und rechtssicher auf die Straße bringen und Kundinnen und Kunden von der Technologie überzeugen. Globale Regeln schaffen Vertrauen in selbstfahrende Autos.

Olaf Schick
Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG. Integrität, Governance & Nachhaltigkeit
Olaf Schick.

Rechtliche Regelungen in der EU

Auch wenn einige Länder wie Frankreich oder Großbritannien inzwischen rechtliche Regelungen für den Einsatz automatisierter Systeme geschaffen oder entsprechende Gesetzgebungsprozesse angestoßen haben – eine international gültige Gesetzgebung gibt es noch nicht.

Seit 2022 können in der EU vollautomatisierte Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen genehmigt werden. Der Einsatz solcher Fahrzeuge ist in den EU-Ländern jedoch zunächst auf genehmigungspflichtige Fahrstrecken beschränkt. Einen bedeutenden Fortschritt gab es im Jahr 2023: Seit Januar erlaubt eine UN-Regelung Autos im Level-3-Einsatz in bestimmten Verkehrssituationen wie Autobahnen bis zu 130 km/h unterwegs zu sein und Spurwechsel durchführen.

Rechtliche Rahmenbedingungen international

In den USA gibt es bisher keinen bundesweiten Rechtsrahmen für Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen. Hier entscheiden die einzelnen Bundesstaaten nach individuellen Vorgaben über Sondergenehmigungen. Entsprechende Gesetze gibt es in rund der Hälfte der US-Staaten, die jedoch in den meisten Fällen nur das Testen von autonomen Fahrzeugen erlauben – ausgenommen in Kalifornien und Nevada, wo Mercedes-Benz die Zertifizierung für hochautomatisiertes Fahren als erster Automobilhersteller erhalten hat.

China erteilt für die Erprobung und den Betrieb von automatisierten Fahrzeugsystemen hauptsächlich Ausnahmegenehmigungen und regionale Sonderregelungen. In der Metropole Shenzhen zum Beispiel sind vollautonome Fahrzeuge seit 2022 auf bestimmten Straßen zugelassen. Mercedes-Benz hat als einer der ersten Automobilhersteller im Dezember 2023 in Peking die Genehmigung zum Testen hochautomatisierter Fahrsysteme (Level 3) erhalten.

Haftung beim automatisierten Fahren

Automatisierte Fahrzeuge verschaffen der Person am Steuer nicht nur mehr Freiheiten. „Automatisierte Fahrsysteme können die Verkehrssicherheit weiter verbessern und Unfälle reduzieren“, sagt Olaf Schick. Kommt es jedoch zu einem Unfall mit einem dieser Fahrzeuge, stellt sich die Frage nach der Haftung. In einigen Ländern, darunter Deutschland, ist die Rechtslage klar: Es gibt eine Kombination aus Fahrer-, Halter- und Herstellerhaftung. Bis einschließlich Level 2 des automatisierten Fahrens ist die Person am Steuer für die Fahraufgabe und die Einhaltung der Verkehrsregeln verantwortlich. Beim hochautomatisierten Fahren des SAE-Level 3 darf sich die Person am Steuer unter bestimmten Bedingungen von der Fahraufgabe abwenden, während das System innerhalb des definierten Betriebsbereichs arbeitet. Sie hat aber auch während des hochautomatisierten Fahrbetriebs weiterhin Pflichten im öffentlichen Straßenverkehr und muss die Fahraufgabe jederzeit im Falle einer Übernahmeaufforderung durch das System wieder übernehmen.

Bei einem Verkehrsunfall hängt die Haftung vom jeweiligen Einzelfall ab: Kommt der oder die Fahrende den Sorgfaltspflichten nicht nach und verursacht dadurch einen Unfall, besteht eine Haftung neben dem Halter bzw. der Halterin für den dadurch entstandenen Schaden. Daneben kann der Hersteller im Rahmen der Produkt- und Produzentenhaftung für Schäden haften, die durch einen Produktfehler hervorgerufen wurden. Dies gilt für automatisierte wie auch konventionelle Fahrzeuge.

Für Mercedes-Benz als Hersteller bedeutet die Übernahme der Fahraufgabe durch die Fahrzeuge: Die Umsetzung der Verkehrsregeln ist ein Teil des Systemdesigns. Dazu wird die Straßenverkehrsordnung in Anforderungen an die Software übersetzt. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Entwicklung, Recht, Ethik, Produktsicherheit und Zertifizierung arbeiten von Beginn an interdisziplinär zusammen und betrachten gleichermaßen technische, rechtliche, regulatorische und ethische Aspekte. Dabei verfolgen sie den Anspruch, sichere und zuverlässige automatisierte Systeme für alle Verkehrsteilnehmenden zu entwickeln.

Ethische Leitlinien und gesellschaftlicher Diskurs

Das automatisierte Fahren wirft neben rechtlichen auch neue ethische Fragestellungen auf. Die Politik in Deutschland hat bereits im Jahr 2016 eine interdisziplinär besetzte Ethik-Kommission eingesetzt, in der Mercedes-Benz mitgewirkt hat, um ethische Leitlinien für das automatisierte und vernetzte Fahren zu erarbeiten. Im Fokus standen zum Beispiel Regeln zur Verbesserung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden, zum Vorrang des Schutzes von Menschen und zur Datenhoheit. Diese Grundlagen fließen bereits heute in die Entwicklung automatisierter Systeme von Mercedes-Benz ein. Im Juli 2023 wurde zudem der internationale Standard ISO 39003:2023 „Straßenverkehrssicherheit (RTS) - Leitfaden für ethische Betrachtung zur Sicherheit autonomer Fahrzeuge“ veröffentlicht. Ziel des Standards ist es, Herstellern automatisierter Fahrzeuge zukünftig eine Hilfestellung zur Berücksichtigung ethischer Aspekte im Entwicklungsprozess zu geben. Auch hier hat Mercedes-Benz von Beginn an auf nationaler und internationaler Ebene mitgearbeitet.

„Voraussetzung für den Erfolg des automatisierten Fahrens ist die Akzeptanz in der Gesellschaft. Daher fördern wir seit Jahren einen breiten gesellschaftlichen Diskurs – um verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und ein übergreifendes Verständnis zu schaffen“, sagt Olaf Schick. Mercedes-Benz fördert den offenen Dialog zwischen Wirtschafts- und Verbraucherverbänden, Politik, Behörden, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Für den Austausch über ethische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen unter anderem im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren nutzt der Konzern auch den jährlichen „Sustainability Dialogue“. Um rechtliche Rahmenbedingungen, technische Standards und ethische Leitlinien zu etablieren, ist Mercedes-Benz zudem Mitglied in zahlreichen internationalen und nationalen Gremien und Verbänden.

Dieser Beitrag wurde zuletzt im November 2025 aktualisiert.

Autonomes Fahren.

Autonomes Fahren.

Das autonome Fahren definiert die Rolle des Automobils neu.