Zugegeben: Es ist schon lange her, dass in einem Mercedes-Benz-Werk letztmals ein Produkt vom Band lief, welches das Hoheitszeichen der Bayerischen Motoren-Werke auf der Haube trug. Etwas mehr als 80 Jahre, um genau zu sein: Mitte der 1930er Jahre fertigte das Werk Sindelfingen Karosserien für den weiß-blauen Wettbewerber. Eingefädelt hatte diesen Deal Wilhelm Kissel, der erste Vorstandsvorsitzende der erst 1926 durch Fusion entstandenen Daimler-Benz AG. Überhaupt hatte die junge schwäbisch-badische Aktiengesellschaft schon unmittelbar nach ihrer Gründung engen Kontakt nach München: Franz Josef Popp, der Vorstandsvorsitzende von BMW, saß ab Juni 1926 im Aufsichtsrat von Daimler-Benz. Und Daimler-Benz Chef Wilhelm Kissel war dann ab März 1932 Mitglied im Aufsichtsrat der BMW AG. Einige Quellen behaupten sogar, eine Fusion der beiden süddeutschen Schwergewichte sei damals das langfristige Ziel dieser Personalunion gewesen.
100 Dinge, die Sie über Mercedes-Benz wissen sollten | #28

Mercedes-Benz hat auch mal BMW gebaut.
Ein gesunder Wettbewerb belebt das Geschäft, auch bei den Autobauern aus den beiden südlichsten Landeshauptstädten. Dass auf schwäbischen Motorhauben aber mal das blau-weiße Emblem prangte, wissen die wenigsten.
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Aus derlei kühnen Plänen wurde bekanntermaßen nichts. Dennoch: Die enge Zusammenarbeit der beiden Unternehmen hinterließ ihre Spuren. Dokumentiert ist, dass von 1932 bis 1937 exakt 22.197 BMW-Karosserien in Sindelfingen hergestellt wurden. So produzierte das Werk beispielsweise alle Serienkarosserien für den BMW 3/20 PS, die dann im BMW-Werk in Eisenach mit Motor und Getriebe verheiratet wurden. Keine Sorge: Die Arbeit der Daimler-Benz Kollegen wurde in München gebührend gewürdigt. Das Werbeprospekt für den 3/20 PS aus dem Jahr 1932 listet bei den „hervorragenden Merkmalen des neuen BMW-Wagens“ unter Punkt fünf: „Original-Karosserie Mercedes-Benz von vollendeter Qualität und Schönheit.“
Trotz vollendeter Qualität und vollendeter Schönheit: Von dem Kleinwagen wurden nur 7.215 Exemplare gebaut. Kein Wunder, dass die wenigen noch fahrtüchtigen Einzelstücke heute im fünfstelligen Euro-Bereich gehandelt werden. Dafür bekommt der Oldtimer-Liebhaber – um nochmals die historische Werbebroschüre zu zitieren – „eine Rekordleistung an konstruktivem Fortschritt, an Güte und Zuverlässigkeit, an Schönheit und Wirtschaftlichkeit“. Und ein Fahrzeug, das mit seinem 15 Kilowatt starken Vierzylinder-Motor immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde erreicht. Damit ist der BMW 3/20 PS für eine historische Tour von der Daimler-Konzernzentrale zum BMW-Firmensitz auch heute noch bestens geeignet: Viel schneller lässt es sich auf der staugeplagten Autobahn A8, die Stuttgart mit München verbindet, meist eh nicht fahren.
In dieser Kolumne stellen wir Ihnen interessante, kuriose oder weithin unbekannte Fakten aus der Welt von Mercedes-Benz vor.