Zum Weltfrauentag: Vier starke Frauen aus der Daimler-Welt im Porträt

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Das starke Geschlecht.

Am Sonntag ist Weltfrauentag. Ein Tag, an dem das Thema Geschlechtergerechtigkeit wieder die Twitter-Trends dominieren wird. Für das Daimler-Magazin haben wir uns dafür entschieden, nicht die weiblichen Vorstände und Top-Managerinnen zu porträtieren, die das ganze Jahr über im Rampenlicht stehen. Wir werfen den Blick hinter die Kulissen: Ich habe vier Kolleginnen im Unternehmen getroffen.

7 Min. Lesedauer

von Sarah Reinharz, Autorin
erschienen am 05. März 2020

Frauen durften nur mit der Zustimmung ihres Mannes einer Erwerbstätigkeit nachgehen und nur dann, wenn „dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. So stand es bis 1977 noch in einem Gesetz, das die Arbeitsteilung von Eheleuten in Deutschland regelte. Aus heutiger Sicht undenkbar. Der Kampf um die Gleichberechtigung ist der Arbeit von Generationen zu verdanken – hierfür steht der internationale Weltfrauentag, der jedes Jahr am 8.März begangen wird.

Seit mehr als 100 Jahren gehen Frauen weltweit auf die Straße, um für ihr Wahlrecht zu kämpfen, für das Recht auf Bildung, Arbeit, Selbstbestimmung und gleichen Lohn. Und auch, wenn der Kampf um Gleichberechtigung schon lange andauert, so ist doch kein schnelles Ende in Sicht. Ausgehend vom derzeitigen Tempo wird sich die globale Geschlechterkluft in Politik, Wirtschaft, Gesundheit und Bildung in 99,5 Jahren schließen. Zu diesem Ergebnis kommt der Global Gender Gap Report 2020 des Weltwirtschaftsforums. Weitere 100 Jahre bis Frauen und Männer tatsächlich gleichberechtigt sind. Umso wichtiger, den Wandel voranzutreiben – in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt.

Daimler ist Teil der ersten weltweiten Initiative, die gezielt die Förderung und Stärkung von Frauen in Unternehmen aufgreift: die UN Women’s Empowerment Principles sind eine gemeinsame Initiative von UN Women und UN Global Compact. Mit der Unterzeichnung verpflichtet sich Daimler, die Grundsätze in die Unternehmenspraxis zu integrieren. „Diversity“ ist die Grundlage unseres täglichen Handelns. Und allein durch unsere Historie bedingt, steckt der Pioniergeist von Powerfrau Bertha Benz quasi in der DNA von Daimler. Bei uns arbeiten 298.655 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit. Eine lebendige Mischung aus Kulturen, Kompetenzen und Lebensweisen. Jeder Einzelne und jede Einzelne bringt eine ganz eigene Perspektive ein. Hier geht es um vier starke Frauen. Und Ihre Perspektive. Darf ich vorstellen? Das sind Amie, Margit, Antje und Chantalle.

Amie Broadway führt mit ihrer Ehefrau ein glückliches Familienleben

„Als Teamleiterin im Marketing von Mercedes-Benz Financial Services in Texas, USA macht es mir großen Spaß, die Verantwortung für ein tolles Team zu übernehmen. Wir betreuen die Kunden in den letzten Monaten ihres Leasingvertrags und können sie im besten Fall davon überzeugen, einen neuen Vertrag abzuschließen. Auch privat bin ich sehr glücklich. Meine Frau und ich haben uns vor zwei Jahren unseren Kinderwunsch erfüllt. Mithilfe von künstlicher Befruchtung hat meine Frau unsere zauberhafte Tochter, Bennett, geboren. Kurz vor ihrem ersten Geburtstag adoptierte ich unsere Tochter.

Amie in ihrem Büro in Fort Worth, Texas. Für sie ist es wichtig, anderen Frauen den Weg zu ebnen.
Amie in ihrem Büro in Fort Worth, Texas. Für sie ist es wichtig, anderen Frauen den Weg zu ebnen.

Ein Familienleben benötigt viel Flexibilität. So ist es schön, dass ich mobil arbeiten kann und damit auf die Bedürfnisse meiner Tochter und meiner Frau eingehen kann. Um die LGBTQ+-Community – also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*-Personen und intersexuelle Menschen weiter zu unterstützen, bewegen wir uns bei Daimler meiner Meinung nach in die richtige Richtung. In den letzten zwölf Jahren habe ich in einigen Abteilungen gearbeitet und so manche unterschiedlichen Erfahrungen gemacht.

Zu meiner Hochzeit beispielsweise haben meine Kolleginnen und Kollegen – typisch amerikanisch – für mich eine Party, also eine sogenannte „Shower“ organisiert. Das löste unterschiedliche Reaktionen aus, wie ich es oft in der Gesellschaft erlebe: Einige Kollegen gratulierten mir zum Beispiel zum Geburtstag – sie konnten sich wohl nicht vorstellen, dass ich als homosexuelle Frau heirate. Andere Kollegen wussten gar nicht, wie sie reagieren sollen. Unsere damalige Bereichsleiterin Janet Marzett hat das mitbekommen und mich zum Senior Manager Meeting eingeladen, um dort über meine Erfahrungen zu sprechen. Damit wollte sie ein Zeichen setzen. Situationen wie diese sorgen für Aufmerksamkeit im Kollegium, was nicht immer leicht ist. Gleichzeitig hoffe ich, dass es denen den Weg ebnet, die nach mir in eine ähnliche Situation kommen.“

Margit Dölker musste sich entscheiden: Karriere oder Familie?

„Vor einigen Jahren stand ich kurz vor der Beförderung: Ich bekam ein lukratives Jobangebot im Ausland, als meine Mutter erkrankte und von heute auf morgen zum Pflegefall wurde. Auf ein Kind bereitet man sich neun Monate lang vor. Ein Pflegefall trifft einen unvorbereitet. Ich musste eine Entscheidung treffen – und die fiel gegen die Karriere und für die Pflege meiner Mutter. Folglich habe ich den Job gewechselt und meine Arbeitsstunden reduziert. Heute arbeite ich als Teamleiterin in der Entwicklung im Bereich Connected Cars in einem sehr vielfältigen und internationalen Team. Jetzt bin ich auf die Flexibilität meines Arbeitsumfelds angewiesen. Doch das klappt durch mobiles Arbeiten zum Glück wunderbar.

Im Interview erzählt Margit von dem täglichen Spagat in ihrem Alltag zwischen Arbeit und der Pflege ihrer Mutter.
Im Interview erzählt Margit von dem täglichen Spagat in ihrem Alltag zwischen Arbeit und der Pflege ihrer Mutter.

Was ich an meiner Arbeit liebe? Die unterschiedlichen Lebensphasen meiner Mitarbeiter zu erleben – der jüngste ist 21, der älteste steht kurz vor dem Ruhestand – und natürlich, das Produkt mitzugestalten. Im Bereich vernetzte Fahrzeuge werden unfassbar große Datenmengen produziert und weiterverarbeitet. Zuletzt haben wir die hierfür nötige Infrastruktur von verschiedenen Rechenzentren in die Cloud migriert. Die Herausforderungen dieses technischen Umfelds faszinieren mich. Ich arbeite in Teilzeit an vier Tagen in der Woche und bin nach der Arbeit täglich im Pflegeheim. In den letzten Jahren habe ich diesbezüglich unterschiedliche Reaktionen in meinem Umfeld erlebt.

„Die Berührung mit dem Thema Pflege ist für viele unangenehm und ein Tabu.“

Margit Dölker

Dabei muss sich doch früher oder später jeder mit dem Thema auseinandersetzen. Auch gesellschaftlich gibt es meiner Meinung nach noch Lernfelder: Junge Eltern bekommen zusätzliche Urlaubstage durch die Krankenkasse erstattet, wenn ihr Nachwuchs erkrankt. Bei der Pflege der eigenen Eltern gibt’s das nicht. Zum Glück konnte ich in der Vergangenheit unbezahlten Urlaub nehmen, wenn ich musste. Außerdem merke ich, dass vor allem Frauen in den Familien die Pflege übernehmen. Eigene Kinder habe ich nicht. Viele können sich anscheinend nicht vorstellen, dass eine Frau keine Kinder hat. Ich musste sehr oft die Frage nach meiner Familienplanung beantworten, die anscheinend immer noch vor allem Frauen gestellt wird.“

Antje Muntzinger ist Entwicklungsingenieurin und zweifache Mutter

„Haben Sie schon vom automatisierten Fahren in San José gehört? Das Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit Bosch ist seit Ende des Jahres im Dauertest: Unsere Entwicklungsfahrzeuge, automatisiert fahrende S-Klassen, sind auf den Straßen unterwegs. Meine Kollegen und ich sind für das Zusammenspiel aller Sensoren verantwortlich. Als Mathematikerin liebe ich die Komplexität der technischen Herausforderung und das Umfeld der künstlichen Intelligenz. Wir sind bei den Zukunftsthemen vorne mit dabei, das finde ich spannend.

Antje hat Mathematik studiert. Heute bringt sie automatisiert fahrende S-Klassen auf die Straße.
Antje hat Mathematik studiert. Heute bringt sie automatisiert fahrende S-Klassen auf die Straße.

Doch gerade in solch einem technischen Umfeld ist man als Frau häufig in der Unterzahl. Ich wurde auf Konferenzen auch schon mal für die Sekretärin oder Kellnerin gehalten – nur, weil ich als junge Frau nicht ins Bild des Gesprächspartners passte. Dabei muss man meiner Meinung nach schon früher die Weichen stellen, damit Mädchen und junge Frauen die Begeisterung an Technik erfahren. Als zweifache Mutter fällt mir oft auf, dass Mädchen nun mal seltener ein Raketenbauset geschenkt bekommen. Bei unseren Kindern versuchen mein Mann und ich auf genderneutrale Erziehung zu achten. Der Spagat zwischen Familie und Beruf klappt bei uns zum Glück meistens gut.

Mein Mann übernimmt zuhause die Frühschicht, weckt und richtet die Kinder, während ich oft die Erste im Büro bin. Dafür versuche ich zeitig zu gehen, hole die Kinder aus der Betreuung und verbringe den Nachmittag mit ihnen. Ich war mit beiden Kindern jeweils ein Jahr in Elternzeit zuhause. Gerade bei meiner jüngsten Babypause wollte ich aber den beruflichen Anschluss nicht verlieren und konnte, während meine Kleine ihr Mittagsschläfchen gemacht hat, einen mehrmonatigen Online-Kurs zum Thema künstliche Intelligenz aus dem Programm der unternehmenseigenen Weiterbildung, der Corporate Academy, absolvieren. Der Kurs wurde mir finanziert und ist jetzt in unserem Projekt ein großer Gewinn für mich. Als arbeitende Mama bin ich wesentlich effektiver, besser organisiert und kann besser priorisieren als früher. Denn das muss ich Tag für Tag.“

Chantalle Wagne war alleinerziehend mit Zwillingen

„Ich war erst 22 Jahre alt, als ich meinem damaligen Mann aus Kamerun nach Deutschland gefolgt bin. Ein Jahr später kamen unsere Zwillinge zur Welt. Eine intensive Lebensphase: Während ich mich um die Kinder und den Haushalt gekümmert habe, war ich zugleich in der Firma meines Mannes in Teilzeit angestellt. Parallel habe ich abends die Volkshochschule besucht und für das große deutsche Sprachdiplom gelernt. Um mit meinem in Kamerun absolvierten Bachelor of Laws auch in Deutschland Fuß fassen zu können, habe ich eine einjährige Weiterbildung begonnen und bin direkt danach im Juli 2000 in der Rechtsabteilung der Mercedes-Benz Bank eingestiegen. Als mein Mann und ich uns trennten, war ich auf das Verständnis meines Arbeitsumfelds angewiesen. Denn da war ich nun: jung, alleinerziehend, in einem fremden Land, dessen Sprache ich noch nicht einwandfrei beherrschte.

Chantalle war mit ihren Zwillingen auf sich alleine gestellt. Heute schaut sie auf diese Zeit zurück.
Chantalle war mit ihren Zwillingen auf sich alleine gestellt. Heute schaut sie auf diese Zeit zurück.

Damals gab es noch keine Ganztagesbetreuung, also musste ich im Büro besonders effizient sein, um dann pünktlich zum Kindergarten zu flitzen und die beiden Kinder abzuholen. Wenn sie einmal krank waren und ein Anruf vom Kindergarten oder der Schule kam, musste ich weg. Meine damaligen Vorgesetzten bei der Mercedes-Benz Bank hatten dafür aber stets vollstes Verständnis. Ich hatte anfangs kein Netzwerk in Deutschland. Erst mit der Zeit entstanden Freundschaften mit den Eltern befreundeter Kinder. Kritik anderer Mütter, dass meine Kinder zu kurz kämen, habe ich jedoch nie geerntet. Aber selbst wenn: ich lebe mein Leben so, wie ich es für richtig halte.

„Für mich war immer klar, dass ich mich nicht nur um die Kinder kümmern will, sondern parallel etwas aus meinem Studium machen werde.“

Chantalle Wagne

Und meine Erfahrung zeigt: Kinder und Beruf schließen sich nicht aus – auch wenn man alleine ist. Man muss sich gut organisieren, hat sicherlich auch mal stressige Phasen, aber man bekommt auch viel zurück. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Heute sind die Zwillinge 25 Jahre alt. Mein Sohn hat sein Studium bereits erfolgreich abgeschlossen und ist seit drei Jahren berufstätig. Meine Tochter absolviert gerade ihr Masterstudium. Sie sind also längst aus dem Haus, ich bin jetzt also allein zuhause und habe Zeit für mich.

Seit November 2019 bin ich bei HR im Team Datenschutz für Themen rund um die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zuständig. Im Gegensatz zu vermutlich sehr vielen Kolleginnen und Kollegen löst die DSGVO bei mir Begeisterung aus. Und weil studieren zum Glück niemals aufhört erkundige ich mich gerade, wie ich mich hierzu noch weiterbilden kann. Alles, was ich damals für meine Kinder investiert habe, kommt mir heute wieder zugute. Ich bereue nichts.“

Sarah Reinharz

ist fasziniert von Frauen, die sich für Zahlen und Technik begeistern. Sie selbst hat in anderen Bereichen Kompetenzen. Darum baut sie bei Daimler keine Autos – sondern macht Kommunikation.

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