Doch nun der Reihe nach: durch einen unglücklichen Badeunfall sitze ich nun seit knapp drei Jahren im Rollstuhl. Die ersten Prognosen waren zunächst sehr ernüchternd. Ärztlicherseits war im Prinzip schon entschieden, dass ich ins Pflegeheim solle – diese Rechnung wurde allerdings nicht mit meinen Kollegen und meiner Familie gemacht.
Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag

Drei Jahre nach meinem Unfall: Der Alltag hat mich wieder!
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Daimler-Blog veröffentlicht.
Bereits vor einem Jahr kamen die netten Kolleginnen vom Daimler-Blog auf mich zu, ob ich ein wenig von meiner Geschichte erzählen könne, was ich in diesem Fall auch sehr gerne tat. Heute bekomme ich erneut die Möglichkeit, über mich und meinen Alltag zu berichten. Hier war meine erste Frage an mich selbst, ob ich nicht meine Leser langweilen würde, denn allzu viel Spektakuläres kann ich gar nicht berichten, sprich: der Alltag hat mich wieder!
6 Min. Lesedauer
Meine Mitstreiter aus der Instandhaltung in der Stahlgießerei in Mettingen setzten alle Hebel in Gang, um meinen Fall in der Firma bekanntzumachen, sammelten zur finanziellen Unterstützung Spendengelder und besuchten mich sehr häufig in den Kliniken, wo ich mich fast neun Monate lang aufhalten musste. Diese Gegebenheiten und die Tatsache, eine starke Familie hinter mir zu haben, sorgten letzten Endes dafür, dass ich zu Hause wohnen und von zu Hause aus in Vollzeit arbeiten kann. Mehr dazu kann man in meinem ersten Beitrag im Daimler-Blog und auf der „Help-Much“-Website nachlesen.
Nachdem ich im März 2018 mit täglich 2 Stunden Arbeitszeit eingestiegen bin, war ich im Juli letzten Jahres, als der Artikel im Daimler-Blog erschien, gerade bei fünf, im August und September bei sechs Arbeitsstunden, um dann ab 1. Oktober im mobilen Arbeiten von zu Hause aus wieder in Vollzeit beschäftigt zu sein. Wenn ich bedenke, dass das nun schon über ein dreiviertel Jahr her sein soll, frage ich mich echt, wo die Zeit geblieben ist…
Wie sieht denn nun mein „neuer“ Arbeitstag aus? Um es direkt auf den Punkt zu bringen: er beginnt früh! Unser Wecker klingelt werktags um 5:00 Uhr morgens. Richtig startklar zum Arbeiten bin ich dann zwischen 5:45 und 6:00 Uhr – zu diesem Zeitpunkt beginnt praktisch mein „Schaffen“ mit Einschalten des Laptops, was zu Beginn meiner Wiedereingliederung definitiv noch nicht selbst möglich gewesen wäre.
Ab hier geht es vermutlich so weiter, wie bei den meisten Kolleginnen und Kollegen, die mobil Arbeiten: notieren der Anfangszeit, starten von Skype und OpenScape – um sozusagen „auf Empfang zu schalten“, ein kurzer Blick ins Social Intranet – man will ja schließlich immer im Bilde sein, anmelden in EasyPM, damit meine Kollegen sehen können, dass ich nun bei der Arbeit bin und vor dem endgültigen Start noch ein finaler Blick ins E-Mail-Postfach, ob mich eine wichtige Nachricht erreicht hat.
Aus diesem Ablauf des Arbeitsbeginns ergeben sich schon viele Aufgaben für den weiteren Tag: gibt es verpasste Skype- oder Telefonanrufe, die zurückgerufen werden sollten? Gibt es im Social Intranet eine persönliche Benachrichtigung, zu der Handlungsbedarf besteht? Gibt es neue Wartungsaufträge, die meinen Kollegen zugeteilt werden müssen? Gibt es eine E-Mail, die direkt beantwortet werden muss oder durch die ein neuer Punkt für meine To-do-Liste entsteht?
Meine Hauptaufgaben liegen nun darin, die Instandhaltung, in der ich bis September 2016 als Industrieelektroniker gearbeitet habe, organisatorisch zu unterstützen. Größtenteils dreht es sich hierbei um vorbeugende Instandhaltung, was zum Beispiel das Erstellen bzw. Überarbeiten von Wartungsplänen, die Arbeitsvorbereitung oder die Beschaffung von Ersatzteilen beinhaltet. Gerade in diese Richtung konnte ich mein Wissen erweitern, denn im März war ich für einen Monat an das OneM-Team verliehen, um die Kolleginnen und Kollegen der Ersatzteilplanung bei der Ersterfassung zu unterstützen – ebenfalls von zu Hause aus! Die Unterweisung erfolgte mittels Skype for Business. Ein Hoch auf die Technik, ohne die ich jetzt vermutlich doch sehr aufgeschmissen wäre!
Obwohl mein Arbeitsalltag ausgefüllt ist, freue ich mich immer wieder über weitere Herausforderungen – und es kommt immer wieder etwas Neues dazu… es ist sehr wichtig, gerade wenn man ausschließlich von zu Hause aus arbeitet, einen abwechslungsreichen Tagesablauf zu haben, was in meinem Fall glücklicherweise gelungen ist. Ergänzend kommt natürlich hinzu, dass ich meine Pausenzeiten zum Trainieren und für Bewegungsübungen nutzen kann.
Der Kontakt zu meinen „alten“, aber auch zu „neuen“ Kolleginnen und Kollegen bleibt durch die vielen Kommunikationsmöglichkeiten, aber auch durch Besuche bestehen. Seit meinem letzten Blog-Beitrag war ich schon einige Male wieder „im Geschäft“ – hauptsächlich zu Besprechungen, aber auch zu Festen, wie zum Beispiel auf der Weihnachtsfeier oder Marten Wahls und meinem 25. Jubiläum, welches wir in gemütlicher Runde in unserer Werkstatt genießen konnten.
Hierbei durfte ich unseren neuen Abteilungsleiter (inzwischen ist er ja auch schon wieder über ein halbes Jahr bei uns) kennenlernen, der mir direkt seine weitere Unterstützung in Sachen Integration ins Arbeitsleben zusicherte. Prinzipiell gestaltet es sich momentan noch relativ schwierig, dauerhaft, bzw. regelmäßig zur Arbeit in den Betrieb zu kommen, denn der zu betreibende Aufwand ist noch zu groß: wir wohnen im zweiten Obergeschoss in einem Gebäude ohne Aufzug und sind auf einen Treppensteiger angewiesen. Der Fahrweg zur Arbeit ist, ohne selbst mobil zu sein, doch sehr weit und leider bin ich immer noch auf eine dauerhafte Betreuung vor Ort angewiesen. Aber über weitere Entwicklungen werde ich im nächsten Absatz berichten.
Natürlich ist unser Alltag mit Höhen und Tiefen verbunden – wie bei „normalen“ Familien auch. Allerdings sind die Schwankungen intensiver. Glücklicherweise überwiegen die Zeiten in denen alles, den Umständen entsprechend, gut läuft. Trotzdem kommt es immer wieder auch vor, dass man seine Durchhänger hat, wenn zum Beispiel die Schmerzen zu groß werden oder es mal nicht so vorwärtsgeht, wie man sich das vorstellt. In diesen Phasen ist es besonders wichtig, eine starke Familie hinter sich zu wissen. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch auch das gute und wichtige Gefühl durch die Arbeit gefordert zu werden. Hier bin ich beim Daimler bestens aufgehoben!
Bezüglich meiner Verfassung kann ich sagen, dass ständig weitere Verbesserungen zu erkennen sind – „leider“ mit sehr vielen Schmerzen verbunden. „Leider“ in Anführungszeichen, weil ich ja froh sein kann, diese Rückmeldungen ans Gehirn wieder zu bekommen, denn diese signalisieren doch, dass es weitergeht und mein Körper nicht aufgibt!
Für mich ist es einfach großartig, weiterhin Teil der Stern-Familie zu sein und ich bin mir sicher, dass das Gefühl, hier einen tollen Arbeitsplatz zu haben, wesentlich zu meiner Genesung beiträgt.