Randolf Wöhrl, Head of moovel on-demand, steht jeden Morgen auf, um die Mobilität in der Stadt fit zu machen für die Zukunft. Im Interview erklärt der Mobilitätsexperte wie der on-demand Service SSB Flex, ein gemeinsames Projekt von moovel und der Stuttgarter Straßen Bahnen AG (SSB), die Brücke zwischen ÖPNV und Mobilität von Morgen schlägt.
Herr Wöhrl, Sie sind Head of moovel on-demand. Was genau macht man da?
Mit moovel on-demand haben wir uns zum Ziel gesetzt, Mobilität in Städten flexibel & bedarfsorientiert zu gestalten. Denn: Durch Urbanisierung und Digitalisierung ändern sich Möglichkeiten und Bedürfnisse vor allem in Ballungszentren so schnell wie nie zuvor. Mobilität soll sofort und jederzeit - on-demand – verfügbar sein. Entsprechend muss sich auch der Nahverkehr weiterentwickeln und dafür brauchen wir intelligente Lösungen.
…die Sie bei moovel entwickeln?
Genau. Der SSB Flex Service basiert auf unserer on-demand Ridesharing-Technologie Plattform – ein Produkt, das wir bei uns im Haus entwickelt haben. Wenn man so will: das Betriebssystem für die neue Mobilität. Wir machen die Apps und wir betreiben das Backend. Die gesamte Technologie kommt von uns.
Was steckt hinter der Idee von SSB Flex?
Bisher ist es ja so, dass der öffentliche Nahverkehr feste Fahrpläne verwendet und Busse und Straßenbahnen feste Routen fahren. Man kann aber diesen Service, den ÖPNV, deutlich verbessern, indem man beispielsweise Wartezeiten für Passagiere verkürzt. Flexible Routenplanung ist hier das Stichwort: Die Fahrzeuge kommen on-demand, das heißt auf Nachfrage. Die Kunden nutzen hierfür die SSB Flex App, und auch die Fahrzeuge werden mithilfe einer von moovel gebauten App gesteuert. Aus einem rein angebotsgesteuertem Betrieb wird ein nachfragebasiertes Angebot.
Dem Kunden wird also bei SSB Flex dann eine Fahrt vermittelt, wenn er sie braucht?
Richtig. Einzige Voraussetzung: Du hast die App auf Deinem Handy und befindest Dich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn die SSB bietet SSB Flex als Ergänzungsverkehr des Nahverkehrs und während der „Randzeiten“ an. Die Fahrzeuge von SSB Flex sind von montags bis samstags in Bad Cannstatt und Degerloch unterwegs sowie zusätzlich am Wochenende in der Stuttgarter Innenstadt. Alle Infos findet man entweder in der App oder auf der Website.
Warum hat genau Stuttgart solch einen Service gebraucht?
Wir haben bereits vor eineinhalb Jahren mit der SSB zusammengesessen, um Schwachstellen im System zu identifizieren und ein entsprechendes Angebot zu konzipieren. Bei moovel arbeiten wir seit Jahren sehr eng mit den Städten und Nahverkehrsanbietern zusammen – mit dem Ziel, das Angebot des ÖPNV weiterzuentwickeln.
Welche Schwachstellen sind das?
Zum einen nimmt in Stuttgart abends, nach 21 Uhr, die Frequenz des bisherigen Angebots deutlich ab, z. B. bei den Bussen. Das heißt: Fahrpläne werden ausgedünnt und die Menschen müssen länger auf ihre Fahrgelegenheit nach Hause warten.
Zum anderen gibt es Gegenden in der Stadt, die durch den Nahverkehr nicht so gut abgedeckt sind. Für den SSB Flex haben wir zwei solcher Gebiete ausgewählt: Bad Cannstatt und Degerloch.
Die SSB war also von Anfang an als Kunde bzw. Partner an Bord?
Mit der SSB arbeiten wir schon seit Jahren eng zusammen, so haben wir 2015 als einer der ersten Anbieter weltweit das ÖPNV-Ticketing in die moovel App integriert und zusammen mit car2go, mytaxi und anderen Diensten die erste Mobility-as-a-Service Plattform geschaffen. Auch hier war die SSB sehr früh an Bord. Zuerst mussten wir jedoch bei moovel das Produkt erst einmal durchdenken und strukturieren. Denn: Der Kern des Produkts ist die Logik, die hinter dem Service liegt. Auch aus diesem Grund wollten wir das Gesamtprodukterlebnis vorab als Flex Pilot selbst testen.
Wie lange hat die Konzeptionsphase gedauert?
Die Konzeption war auch bei diesem Projekt sehr agil: Die gesamte Produktentwicklung vom ersten Pinselstrich bis zum Launch dauerte weniger als 10 Monate – das ist extrem schnell, denn die Technik und die verschiedenen Komponenten sind durchaus eine Herausforderung. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir das Pilotprojekt moovel Flex Pilot so schnell startklar gemacht haben.
Wann und wie lange haben Sie den Service mit dem moovel Flex Piloten getestet?
Vor gut einem Jahr haben wir den Piloten auf die Straße gebracht und getestet was das Zeug hält. Insgesamt sechs Monate lang hat sich bei uns alles um virtuelle Haltestellen, Fahrzeuge, Routenverlauf, Fahrer und Passagiere gedreht. Über 20.000 Passagiere hat der Flex Pilot in der Testphase von A nach B gebracht. Dadurch, dass wir den Betrieb selbst durchgeführt haben, konnten wir wertvolle Erfahrungen sammeln – von denen das finale Produkt SSB Flex heute profitiert.
Wie hat sich die Testphase für das Team angefühlt?
Es war ein großartiges Erlebnis für uns als Company, aber natürlich auch, so einen Dienst in der Stadt zu testen. So konnten wir zum einen die Technik auf Herz und Nieren prüfen und zum anderen haben wir sehr viel Kundenfeedback über die verschiedensten Kanäle von Fahrern über Social Media bis hin zur App bekommen. Das war wahnsinnig spannend.
Seit 1. Juni 2018 ist der SSB Flex nun auf den Stuttgarter Straßen unterwegs. Wie kann man sich die Zusammenarbeit und den Übergang von moovel Flex Pilot zu SSB Flex vorstellen?
Wir haben einen ganz klaren Schnitt gemacht. Die SSB verwaltet seit Juni den Fuhrpark und stellt zudem das Fahrpersonal. Die Fahrzeuge erstrahlen jetzt übrigens auch im SSB-gelb und reihen sich so auch optisch in den ÖPNV ein. Und noch etwas hat sich geändert: Der Service ist nicht mehr kostenlos, sodass sich das Angebot natürlich auch für den Kunden verändert.
Welche Nutzergruppen stehen dabei im Fokus?
Wir müssen das Gesamtangebot des ÖPNV für alle verbessern oder besser gesagt: Das Gesamtangebot der Möglichkeiten, die man neben dem eigenen PKW noch so hat. Selbstverständlich schauen wir uns aber auch bestimmte Gruppen im Detail an. Zum Beispiel ist die Zahl der Pendler, die täglich in die Stadt rein- oder rausfahren, gerade in einer Stadt wie Stuttgart enorm hoch. Hier brauchen wir weitergehende Konzepte.
Wie SSB Flex…
SSB Flex ist ein Ansatz, wie Mobilitätsangebote als Zubringer zum Schienensystem für Pendler funktionieren können. Man spricht dabei von der ersten und letzten Meile. Und genau darum geht’s: Dass wir denjenigen, für die S- oder U-Bahn-Stationen keinen Katzensprung entfernt sind, trotzdem den Weg zum ÖPNV möglich machen – und das integriert in das Angebot des Nahverkehrs. Aus Kundensicht wirkt der SSB Flex so wie ein ganz normaler Bestandteil des ÖPNV.
Stehen Sie weiterhin im engen Austausch mit der SSB?
Absolut - wir arbeiten sehr eng zusammen. Es gibt regelmäßige Abstimmungsrunden und auch gemeinsame Aktionen. Aktuell läuft beispielsweise unsere Adventsaktion mit längeren Betriebszeiten und Fahrten zum Weihnachtspreis. Da wir das System sozusagen gemeinsam betreiben, gibt es hier Abstimmungsbedarf – ähnlich wie bei der gemeinsamen Geschenksuche.
Ist man trotzdem ein bisschen traurig, wenn so eine Pilotphase zu Ende geht und sein Baby aus der Hand gibt?
Einen Endkundenservice wie den Flex Piloten selbst anzubieten, ist schon etwas Besonderes. Ein sehr schönes und wertvolles Erlebnis, bei dem uns Kundenfeedback auf direktem Wege erreicht und man direkt mit dem Kunden zusammenarbeitet. Ein Mobilitätsangebot, das man vollständig verantwortet und entsprechend auch verändern kann. Genau das jetzt partnerschaftlich mit der SSB fortzuführen und deren Schlagkraft für die Etablierung eines neuen Services in der Stadt zu nutzen, ist aber auch keine schlechte Sache. Insofern ist beides gut und beides wichtig!
Ist das bei anderen moovel-Projekten ähnlich?
Generell liegt uns die enge Zusammenarbeit mit den Partnern am Herzen: moovel möchte das Betriebssystem für urbane Mobilität anbieten – gemeinsam mit den Städten. In genau dieser Logik haben wir Produkte wie KVV.mobil in Karlsruhe oder zuletzt Mobil in Düsseldorf
Geht es mit dem Flex Piloten außerhalb von Stuttgart weiter?
Wir haben vor wenigen Wochen in Los Angeles gelauncht und sprechen intensiv mit anderen Städten. Ich kann Ihnen mindestens so viel verraten: Wir entwickeln unser on demand-Ridesharing weiter und wollen es auch in anderen Städten und international ausrollen.
Das klingt vielversprechend!