Laura Beilstein ist „CO₂-Champion“ bei smart. Hinter dem klangvollen Begriff verbirgt sich eines der wichtigsten Themen der Marke: die Koordination aller CO₂-Themen rund um verbrauchsarme Fahrzeuge und saubere Motoren.
Der zweite Stock des Böblinger smart Hauptquartiers ist verhältnismäßig schlicht eingerichtet, beinahe zweckmäßig. Hier arbeiten die Ingenieure, die sich um die inneren Werte von smart fortwo und smart forfour kümmern. Die bunteren Poster hängen in der Marketingabteilung, die schönen Formstudien stehen bei den Designern. Doch bei den Ingenieuren geht es um nichts weniger als um die Zahlen, Werte und Verhältnisse, die das Auto bewegen: Leistungskurven, Emissionswerte, Gewichtsmanagement. Äußerlichkeiten sind da nachrangig. Der heute vielleicht wichtigste Wert in der Fahrzeugentwicklung ist der CO₂-Ausstoß, den es zu mindern gilt. Zuständig für die Koordination aller CO₂– und Verbrauchsthemen bei smart ist Laura Beilstein, eine promovierte Luft- und Raumfahrtingenieurin.
Frau Dr. Beilstein, eine Ihrer Aufgaben bei smart lautet „CO₂-Champion“. Was verbirgt sich hinter diesem klangvollen Begriff?
Laura Beilstein: Diese spezifische Stelle gibt es bei jeder Baureihe von Mercedes-Benz einmal. Sie umfasst die Koordination aller CO₂– und Verbrauchsthemen – ein komplexes und vielschichtiges Thema, über das man viel miteinander sprechen muss. Ich bin verantwortlich dafür, dass alle CO₂-relevanten Informationen in die Baureihe einfließen, dass die Kollegen informiert sind und dass neue Gesetzgebungen berücksichtigt werden. Dafür moderiere ich einen sogenannten CO₂-Steuerkreis und informiere hier den Baureihen-Chef. Des Weiteren bin ich die Schnittstelle zu den Kollegen, die sich mit der CO₂-Strategie, der Zertifizierung, der Berechnung und den External Affairs beschäftigen. Eine Fragestellung hier könnte zum Beispiel sein: Wie stellen wir uns auf, um auch im Jahr 2025 dem Kunden effiziente Fahrzeuge anbieten zu können? Zusätzlich kommen noch operative Themen dazu, in denen es unter anderem um die Steuerung des CO₂-Homologationsprozesses geht.
Was sind Ihre Aufgaben bei der Entwicklung neuer Motoren?
Laura Beilstein: Unter anderem leiten wir aus dem Wettbewerbsumfeld Zielwerte ab, die wir an die Entwickler weitergeben. Wir kämpfen stark dafür, den Verbrauch so niedrig wie möglich zu halten und leistungs- und effizienzoptimierte Motoren im Einklang mit dynamischen Fahrleistungen zu gestalten. Da gibt es ja häufig einen Zielkonflikt. Fahrspaß wollen aber alle. Das muss berücksichtigt werden.
Mit welcher Abteilung gibt es die engsten Berührungspunkte?
Laura Beilstein: Sehr viel habe ich mit den Kollegen der CO₂-Strategie zu tun. Gemeinsam schauen wir hier für smart auf alle wichtigen CO₂-Aspekte für die Einzelfahrzeuge und auch gesamtheitlich für die smart Flotte. Ein enger Austausch hat sich mit den anderen CO2-Champions etabliert. Mit den Kollegen der Verbrauchsberechnung und der Aerodynamik treiben wir viele Projekte zur Verbrauchsverbesserung voran. Weiterhin arbeite ich eng mit den Motorenkollegen zusammen, wie bereits beschrieben. Nicht zu vergessen ist die Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner Renault. Für die nächste Modellpflege von smart fortwo und smart forfour gibt es einige CO₂-Themen, die wir gemeinsam ins Ziel bringen werden.
Sie haben bereits die Aerodynamik erwähnt. Wie wichtig ist die strömungsoptimierte Gestaltung der Karosserie?
Laura Beilstein: Sie steht für uns beim Fahrzeug ganz oben. Das wird beim neuen Verbrauchszyklus WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) noch wichtiger, dort werden längere Distanzen und höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten realisiert. Bei unserer engen Zusammenarbeit mit den Aerodynamikern arbeiten wir konsequent daran, die Umsetzung von kosteneffizienten aerodynamischen Maßnahmen sicherzustellen.
Wie groß können die Konflikte werden, wenn es um Leistungswerte oder um eine Formänderung im Design geht?
Laura Beilstein: Da wird natürlich diskutiert, weil jeder unterschiedliche Ziele hat. Es gilt dann, den besten Kompromiss zu finden. Schließlich geht es ja nicht um uns, sondern um den Kunden. Meine Erfahrung ist: Je mehr und intensiver man interdisziplinär arbeitet, desto besser werden die Ergebnisse.
Bei der Diskussion mit den Aerodynamikern hilft sicher Ihre Erfahrung aus der Luft- und Raumfahrttechnik. Was hat Sie schließlich beim Auto landen lassen?
Laura Beilstein: Eine gute Frage. Mich hat die Luftfahrt viele Jahre beschäftigt. Ich habe am Institut für Flugzeugbau gearbeitet, habe so gut wie alle Airbus-Standorte gesehen. Flugzeuge interessieren mich, auch weil in der Branche zahlreiche Technologien verhältnismäßig früh eingesetzt werden. Faserverbundwerkstoffe gab es dort schon in den 80er Jahren. Nichtsdestotrotz ist die Industrie oft träge und konservativ, vieles wird dort noch so gemacht wie vor 50 Jahren. Das ist bei smart ganz anders …
Kaum ein Arbeitstag von Laura Beilstein gleicht dem anderen. Ob bei Meetings mit den Forschungs-und-Entwicklungs-Abteilungen in Sindelfingen, am Telefon mit den französischen Kollegen von Renault, an Produktionsstandorten oder bei Conformity-of-Production-Tests, bei denen überprüft wird, ob ein smart auch in der Serie die Verbrauchswerte besitzt, die zuvor ausgegeben wurden. Ein wichtiges Thema in ihrer Abteilung ist derzeit der neue Prüfzyklus WLTP, der im nächsten Jahr EU-weit für neue Fahrzeuge eingeführt wird. Er liefert den Autoherstellern ein verbessertes Verfahren für Abgas- und Verbrauchstests.
Der WLTP wurde von den Autoherstellern gemeinsam mit den Behörden entwickelt. Was erwarten Sie vom neuen Zyklus?
Laura Beilstein: Richtig, der WLTP wurde von den Behörden, den Herstellern und NGOs gemeinsam entwickelt und Daimler hat dies jederzeit aktiv unterstützt. Der WLTP wird zu deutlich realitätsnäheren Verbrauchswerten führen, was für den Kunden mehr Transparenz bedeutet. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass jedes einzelne Fahrzeug einen spezifischen CO₂-Wert bekommt. Wenn der Kunde zukünftig im Konfigurator auf smart.com zum Beispiel eine aerodynamisch optimierte Felge wählt, dann sinkt auch der dort abgebildete CO₂-Wert des Autos.
Wirkt sich das auch auf die Entwicklung neuer smart Antriebe aus?
Laura Beilstein: Absolut. Wir arbeiten daran, die CO₂-Performance der gesamten smart Flotte zu optimieren.
Im Oktober wird der smart electric drive vorgestellt, der ab 2017 ausgeliefert wird. Ist ein komplett emissionsfreies Auto der ultimative Traum eines CO₂-Champions?
Laura Beilstein: Der Elektroantrieb ist natürlich ein ganz anderes Konzept als ein Verbrennungsmotor. Als Ingenieurin fasziniert mich diese Technologie sehr. Und auch das Gefühl, ein E-Auto zu fahren, die Beschleunigung und das Wissen, dass man lokal emissionsfrei fährt, sind besonders. Außerdem wurde ja das allererste Konzept des smart als E-Auto vorgestellt, insofern passt der neue electric drive perfekt zu smart. Ich denke auch, dass durch die Prämien, die jetzt beim Kauf eines Elektroautos gezahlt werden, noch mal ein Schub kommen wird. Dann muss man natürlich noch in Infrastruktur investieren. Bei einem smart electric drive, der hauptsächlich in der Stadt genutzt wird, ist die Reichweite auch gar nicht das große Thema.
Gibt es darüber hinaus einen Trend, den Sie als Expertin sehen?
Laura Beilstein: Die Tendenz hin zum vollautonomen Fahren wird immer stärker. Das wird kommen, da bin ich mir sicher. Ich finde es persönlich gut, weil ich es gewohnt bin, während meiner S-Bahnfahrt etwas nebenbei erledigen zu können. Generell finde ich Vielseitigkeit und Offenheit zu allen Verkehrsmitteln wichtig. Zu jeder Situation und Zeit das passende Verkehrsmittel zu nutzen ist clever. Mit einem Konzept, wie es zum Beispiel moovel bietet, wird genau dieser Idee Rechnung getragen.
Laura Beilstein
Die Ingenieurin Dr.-Ing. Laura Beilstein promovierte an der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart. Parallel war sie am Institut für Flugzeugbau und bei Airbus tätig. Derzeit ist sie bei smart für CO₂ und Verbrauch zuständig.
(Quelle: smart magazine