Mercedes-Benz Daten machen Londons Straßen sicherer

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Vision Zero.

Der Londoner Verkehr kann verwirrend sein – hinter dem Steuer oder für zu Fuß gehende Touristen, die beim Überqueren der Straßen der britischen Metropole aus Gewohnheit in die falsche Richtung schauen. Doch ob Links- oder Rechtsverkehr: Mit den Fahrassistenzsystemen von Mercedes-Benz und dem Mercedes-Benz Road Safety Dashboard – einem digitalen Tool des Unternehmensbereichs Urban Mobility Solutions – lässt sich die Sicherheit immens erhöhen.

9 Min. Lesedauer

von Holger Mohn, Autor
erschienen am 25. November 2021

Ein ganz normaler Nachmittag in Soho: In den schmalen Straßen des beliebten Shopping-Quartiers sind viele Touristen unterwegs. Einige nutzen die überall in der Stadt ausleihbaren Fahrräder – auch, um der quirligen Oxford Street mit ihren Autos, Bussen und Taxis zu entfliehen. Doch an einer Ecke wird es trotzdem eng, denn die ortsunkundigen Radler wollen abbiegen – direkt in eine Einbahnstraße. Ein entgegenkommendes Auto kann gerade noch abbremsen, zum Glück passiert nichts. Von der anderen Straßenseite kommentiert ein Verkäufer an einem Marktstand: „Sowas sehe ich hier nicht zum ersten Mal.

Solche Vorfälle genannt „Beinahe-Unfälle“ tauchen fast nie in einer Statistik auf. Sie werden weder von der Polizei noch von anderen Behörden registriert. Damit fehlen die belastbaren Informationen, die in eindeutige Vorkehrungen zur Sicherheit münden könnten, wie zum Beispiel Ampeln, Schilder oder Poller. Doch die Daten existieren: in Fahrzeugen von Mercedes-Benz. Die Informationen aus dem Fahrassistenz-Paket – dazu zählen unter anderem PRE SAFE PLUS, aktiver Lenk-Assistent, aktiver Spurhalte-Assistent, Totwinkel-Assistent oder Notbremsassistent – helfen dabei, potentielle Gefahrenstellen zu erkennen und zu entschärfen.

25.000 Straßen, ein Ziel: Vision Zero

Unter „Vision Zero“ versteht man das Ideal eines Verkehrs ohne Verletzte und Tote. Ende der 1990er-Jahre erstmals in Schweden auf den Straßenverkehr angewendet, hat sich die Idee einer an Sicherheit, Gesundheit und Leben des Menschen orientierten Verkehrsplanung in den letzten Jahrzehnten weltweit durchgesetzt. Laut der Europäischen Kommission soll im Jahr 2050 niemand mehr auf den Straßen des Kontinents zu Schaden kommen. Die britische Hauptstadt visiert für ihre eigene „Vision Zero“ selbstbewusst das Jahr 2041 an.

Um ein unfallfreies London innerhalb der nächsten zwanzig Jahre zu erzielen, reicht es sicher nicht, für die Besucher „Look Right“ auf Bordsteine und Zebrastreifen zu pinseln. Zwar hat die seit 2013 erhobene Innenstadtmaut für herkömmlich betriebene Pkw und Lkw dazu beigetragen, den Verbrenner-Verkehr in London um ein ganzes Drittel zu reduzieren. Trotzdem gab es allein im Jahr 2018 im Stadtgebiet immer noch mehr als 30.000 Unfälle, auch wenn der weitaus größte Teil davon nur Bagatellschäden waren.

Bisher orientierte sich die Stadt an Straßenkarten und selbst erhobenen, digitalen Unfalldaten, um gefährliche Punkte auf den rund 25.000 Straßen in einem Sechs-Meilen-Radius um die zentrale Kreuzung Charing Cross zu ermitteln. Das ging bislang leider erst, nachdem es zu registrierten Zwischenfällen gekommen war. Potenzielle Gefahrenstellen, an denen brenzlige Situationen bisher glimpflich ausgegangen waren oder behördlich schlicht nicht erfasst wurden, fielen durch das Raster. Genau in diesem Bereich setzt das „Mercedes-Benz Road Safety Dashboard“ an.

Daten für mehr Sicherheit

Das digitale Tool wurde in einem Team aus Ingenieuren, Sicherheitsexperten, Datenschutzspezialisten und Datenanalysten von der städtischen Verkehrsbehörde „Transport for London“ und dem Bereich Urban Mobility Solutions (UMS) von Mercedes-Benz entwickelt und in den vergangenen beiden Jahren in der Praxis erprobt. Mit Erfolg: „Wir bekennen uns zu unserer Vision Zero Strategie, die darauf abzielt, bis 2041 alle schweren oder tödlichen Unfälle aus den Straßen Londons überwunden zu haben. Die Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz hilft uns, neue datengestützte Technologien zu entwickeln, die uns diesem Ziel näherbringen“, erklärt Rikesh Shah, Head of Commercial Innovation der Transport for London. Angesichts der technologischen Fortschritte hält er es für seine Behörde für essenziell, über völlig neue digitale Verfahren nachzudenken, um Londons Straßen sicherer zu machen. „Die Erkenntnisse aus diesem Tool sind faszinierend. Wir prüfen derzeit, wie wir die Daten von Fahrzeugen in ganz London noch intensiver nutzen können, um verschiedene Risiko-Situationen besser einschätzen und geeignete Sicherheitsmaßnahmen planen und umsetzen zu können“, so Shah weiter.

Vom Sensor zur Risiko-Bilanz

Dank Sensorik wie Ultraschall, Radar oder Stereokameras können moderne Assistenzsysteme verschiedene Objekte im Umfeld des Fahrzeugs erkennen. Im Erfassungsbereich können das einerseits nachfolgende, vorausfahrende, querende oder sogar entgegenkommende Fahrzeuge sein. Andererseits aber auch Fußgänger, Straßenmarkierungen sowie verschiedene Arten von Verkehrszeichen. Erfolgt eine akustische und optische Warnung oder gar eine autonome Notbremsung, wird diese Information in die Mercedes-Benz Cloud gesendet und anonymisiert. Zwei Algorithmen arbeiten die Daten in der Big-Data-Plattform auf: Zum einen werden GPS-Positionen mit Anhäufungen der Eingriffe identifiziert. Zum anderen werden die potenziellen Unfallschwerpunkte eingehend analysiert und schließlich ein Risikoscore berechnet. Diese Informationen werden dann im „Mercedes-Benz Road Safety Dashboard“ visualisiert. Es zeigt mögliche Gefahrenstellen auf einer digitalen Straßenkarte an – anschaulich, einfach zu bedienen und nutzerfreundlich für die Behörden.

Die anonymisierten Fahrzeugdaten aus den Assistenzsystemen werden mit zusätzlichen Daten der Stadt London angereichert. Dazu gehören die vorhandene Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln oder Zebrastreifen, Informationen zu Verkehrsereignissen in der Vergangenheit sowie die Fahrzeug-, Radfahrer- und Fußgänger-Dichte. So wird auf dem Dashboard für die Kommune sofort sichtbar, wo ein Handlungsbedarf geprüft werden sollte. Dabei stehen vor allem die schwächsten Verkehrsteilnehmer im Fokus: Menschen – vor allem Kinder – zu Fuß oder auf dem Rad. Riskante Situationen in Zonen rund um Schulen, Kindergärten und Universitäten werden durch die Stadt London daher besonders intensiv beobachtet.

Pionierarbeit mit Datenströmen

Der Bereich Urban Mobility Solutions wurde von Mercedes-Benz ins Leben gerufen, um Mobilität in ihrer Gesamtheit sicherer, nachhaltiger, effizienter und barrierefreier zu gestalten. Die 2019 gestartete Zusammenarbeit mit der wichtigen und weltweit geachteten Behörde Transport for London hat Pionierarbeit in diesem Bereich geleistet: „Gemeinsam mit Transport for London und unseren Experten haben wir dieses wegweisende Programm für mehr Verkehrssicherheit gestartet und konnten nun die Entwicklungsphase abschließen. Unsere Vision ist es, mit unseren aktiven Sicherheitssystemen alle Verkehrsteilnehmer zu schützen“, sagt Daniel Deparis, Leiter des Bereichs UMS. Dazu trage die Zusammenarbeit mit den Londoner Spezialistinnen und Spezialisten wesentlich bei. „Gemeinsam können wir die komplexen Herausforderungen im urbanen Umfeld effektiv meistern und damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leisten“, so Deparis.

Daniel Deparis
Daniel Deparis

Datenschutz genießt bei diesem Projekt natürlich oberste Priorität. Ohne das Okay der Fahrerinnen und Fahrer werden keine Informationen übermittelt. Wer möchte, kann seine Zustimmung zur anonymisierten Übertragung und Verarbeitung der Daten ganz einfach über seine Mercedes me App geben, wenn ein entsprechender Account besteht. Denn erst nach Zustimmung werden Warnungen oder autonome Bremseingriffe aus dem Fahrzeug in die Cloud von Mercedes-Benz gesendet und dort verarbeitet – vollkommen anonymisiert und ohne das Speichern von Kamera-Bildern.

Im Anschluss an den erfolgreichen Einsatz in der Innenstadt von London laufen nun in mehreren großen und mittleren europäischen Städten entsprechende Projekte über einen passgenauen Einsatz des „Road Safety Dashboards“ an. So helfen Datenströme an Orten mit ganz verschiedenen lokalen Gegebenheiten dabei, gefährliche Situationen zu entschärfen und Menschen zu schützen. Auf diese Weise kann die „Vision Zero“ bald nicht nur in London, sondern in vielen Städten dank des Road Safety Dashoboards Realität werden.

Verkehr in London.
Verkehr in London.

Holger Mohn

versteht sich als klassischer „Blattmacher“ – früher gedruckt, heute digital. Von der Tageszeitung über Mitarbeiterzeitungen und -magazine bis zur Unternehmenswebsite hat er schon die verschiedensten Medien und Formate begleitet – in der Hauptsache bei und für Mercedes-Benz und Daimler. Und das, obwohl der bekennende Hesse den Job in Stuttgart „höchstens drei, maximal vier Jahre“ machen wollte. Inzwischen sind es deutlich über 20. Er würde es heftig verneinen, aber es scheint, als hätte das Leben und Arbeiten im schwäbische Exil durchaus angenehme Seiten.

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