Car-aoke | #2

„Im Wagen vor mir“ von Henry Valentino & Uschi.

Kaum ein Alltagsgegenstand hat die moderne Musik so sehr geprägt wie das Auto. In dieser Kolumne schreiben unsere Redakteure in losen Abständen über Songs, die eine Automobil-Geschichte erzählen. Manche davon haben es damit sogar in die Musik-Geschichte geschafft. Aber längst nicht alle.

2 Min. Lesedauer

von Cornelia Hentschel, Autorin
erschienen am 03. Dezember 2019

Rada rada radadadada, rada rada radadadada …“ – Connaisseure des deutschen Schlagers wissen: Es handelt sich hier nicht um ein dadaistisches Gedicht, sondern um den Refrain des Evergreens „Im Wagen vor mir". Aufgenommen hat ihn anno 1977 ein gewisser Henry Valentino im Duett mit einer gewissen Uschi. Für mich persönlich ist der Titel die erste automobile Musikerinnerung und das in zweierlei Hinsicht: Zum einem war es das erste Lied, in dem ein „Wagen“ – konkret: die Ente eines jungen Mädchens – eine tragende Rolle spielte. Zum anderen war es ein Song, den ich ausschließlich im Wagen – konkret: der Rückbank unseres Familienkombis – konsumiert habe.

Letzteres allerdings nicht wirklich freiwillig: Mein Vater war während der Ferienfahrten ‘gen Süden nicht nur Herr übers Steuer, sondern auch übers Kassettendeck. Meine beiden Schwestern und ich haben im Fonds damals keine Statistik geführt, aber das Duett von Henry und Uschi haben wir so oft gehört, dass uns bis heute ein kollektiver Ohrwurm verbindet.

Albumcover: Meine Schönsten Melodien von Henry Valentino – Teil des Albums ist natürlich der Song „Im Wagen vor mir“.
Albumcover: Meine Schönsten Melodien von Henry Valentino – Teil des Albums ist natürlich der Song „Im Wagen vor mir“.

Ich habe mich damals gefragt: Wer ist dieser Typ mit der markanten Reibeisenstimme? Warum will er von dem Mädchen „mit dem weichen Haar“ so gern wissen, „wo sie hinfährt und was sie gerade denkt“? 35 Jahre später kann eine kurze Google-Recherche zumindest erstere Frage beantworten: Henry Valentino heißt bürgerlich Hans Blum, ist mittlerweile über 90 und lebt mit seiner Frau (Ingetraud nicht Uschi)! bei Köln. „Im Wagen vor mir“ war sein größter Hit als Interpret und hielt sich stolze 33 Wochen in den deutschen Charts.

Der Song ist auch ein Zeitdokument: Heute würde das junge Mädchen, das in seinem Teil des Duetts zunehmend genervt fragt: „Was will der blöde Kerl da hinter mir nur? …Der hängt nun schon 'ne halbe Stunde ständig hinter mir“ den Mann im Rückspielgel vermutlich wegen Stalkings anzeigen.

Und damals? Hat Valentino seinen Schwarm wiedergesehen, nachdem sich die Wege an der Abfahrt trennten? Dieses Geheimnis hat der Stern bereits 2005 im Interview mit dem Komponisten gelüftet: Inspiration sei zwar eine wahre Begegnung mit einem von hinten „verdammt attraktiven Geschöpf“ gewesen, selbiges habe sich beim Überholen dann aber als „großer Mann mit wallendem Haar“ entpuppt.

Damit auch in puncto Basisdemokratie im Familienauto der Schein nicht trügt, sei erwähnt: Auf Intervention von uns Schwestern hat es dann und wann auch ein „Benjamin Blümchen“-Hörspiel ins Kassettendeck geschafft. Aber spätestens wenn die „Wie lange noch?“-, „Mir ist langweilig“-, „Die ärgern mich!“-Rufe eine auf dem Fahrersitz schwer erträgliche Frequenz erreichten, hatte das Tape mit Henry und Uschi ein Comeback: Rada rada radadadada, rada rada radadadada …“

Cornelia Hentschel

Hat eine schlagerfreie Playlist. Im Auto hört sie dennoch meistens Deutschlandfunk. Es sei denn, ihre vierjährige Tochter besteht auf „Benjamin Blümchen“.

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