Car-aoke | #10

Der Caddi.

Kaum ein Alltagsgegenstand hat die moderne Musik so sehr geprägt wie das Auto. In dieser Kolumne schreiben unsere Redakteure in losen Abständen über Songs, die eine Automobil-Geschichte erzählen. Manche davon haben es damit sogar in die Musik-Geschichte geschafft. Aber längst nicht alle...

2 Min. Lesedauer

von Christian Scholz, Autor
erschienen am 12. November 2020

Als „Cold-War-Kid“ der 80er Jahre fand man in der Regel wirklich alles vorbehaltlos cool, was aus den Vereinigten Staaten kam: amerikanisches Essen (vor allem das von Burger King, denn der war im Vergleich zum „gelben M“ ein Exot), amerikanische Filme (damals war uns natürlich noch nicht klar, dass Top Gun und Rambo vom US-Verteidigungsministerium gesponsert wurden) und amerikanische Musik sowieso. Mit all dem umgab man sich nur zu gerne und fühlte sich kulturell eher in Texas, Kalifornien oder Michigan verwurzelt als in Western Germany.

Ein US-Kulturgut bekam man indes eher selten zu Gesicht: Autos von „über dem großen Teich“. Ihnen begegnete man dafür umso häufiger in Songs, die einem über den omnipräsenten Walkman ins Ohr nudelten. Der Chevrolet, der Camaro, die Corvette und der Cadillac. Schon die Namen versprachen Glamour, Abenteuer, Freiheit.

Und wenn man tatsächlich mal ein US-Car im beschaulichen Stuttgart-Möhringen vorbeirauschen sah (natürlich mit original US-Kennzeichen aus den benachbarten Kelly Baracks), dann wurden die Augen mindestens so groß, wie die Boliden es waren. Allerdings handelte es sich dabei meist um Pick-ups oder SUVs (die damals natürlich nicht so hießen). Ein Cadillac war leider nie dabei. Vor allem er blieb ein Mythos, der offensichtlich nicht GIs, sondern ausschließlich Hollywood-Stars vorbehalten war.

Der Cadillac - Hauptdarsteller in vielen Songs
Der Cadillac - Hauptdarsteller in vielen Songs

Egal, ob es nun ein Pink Cadillac (Natalie Cole) , ein Black Cadillac (Hoodoo Rhythm Devils) , ein White Cadillac (Donna Lou)  oder ein Red Cadillac (Bill Watkins)  war. Die Farbe schien dabei wohl egal zu sein. Bruce Springsteen, mit "Born in the USA" für uns der Archetyp des „American Way of Life“ (dass der Text eine beißende Kritik am System war, hörten unsere Teenager-Ohren freilich noch nicht heraus), schien sogar eine ganze „Cadillac Ranch “ sein Eigen zu nennen. „Rides just like a little bit of heaven here on earth”. Klar, ein Auto, das der Himmel schickte. “Heaven's in the back seat of my Cadillac. Let me take you there, yeah yeah”, hieß es bei Hot Chocolate  vielversprechend. Und auch wenn wir alle noch gar keinen Führerschein hatten, jeder wollte später mal King of the Road sein: “It makes me feel like a king, I only need one thing, and that's a Slick Black Cadillac(Quiet Riot) .

Ich weiß es nicht mehr so ganz genau, aber irgendwann muss es dann passiert sein, dass der Mythos verblasste. Möglicherweise war daran auch ein gewisser „Geronimo“ nicht ganz unschuldig, der mit seinem Cadillac allen Mädchen den Kopf verdrehte. Nun, bei uns Jungs in der Klasse sorgte er eher für Magenverstimmungen. Aber eigentlich fanden wir zu diesem Zeitpunkt auch Ferrari viel cooler. Der kam zwar aus Maranello in Italien, wurde aber von unseren neuen Helden, Crockett und Tubbs, durch das neonstrahlende Miami gesteuert. Doch das ist eine andere (Auto-)Geschichte.

Christian Scholz

hatte in den 80ern weder einen Cadillac, noch einen Führerschein. Sein erstes Auto war dann ein Golf Memphis. Die Reminiszenz an Elvis war ungewollt. Auch wenn der Cadillac fuhr.

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