Markenschutz bei Mercedes-Benz

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Schützer des Sterns.

Produktfälschungen sind nicht nur illegal und schaden dem Unternehmen, sie können außerdem die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden. Zudem werden gefälschte Produkte häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt. Bei Mercedes-Benz arbeiten deshalb Kolleginnen und Kollegen im Bereich IP Enforcement daran, der Produktpiraterie das Handwerk zu legen.

6 Min. Lesedauer

von Catharina Matthäus, Autorin
erschienen am 17. Juni 2022

Dabei ermitteln sie weltweit - oft gegen organisierte Fälschernetzwerke und immer häufiger im Bereich Online-Handel. Lita Silje Jänisch ist so eine Markenschützerin. Sie leitet die Abteilung Global IP Enforcement bei der Mercedes-Benz Intellectual Property GmbH & Co. KG. Wir haben sie gefragt, wie sie und ihr Team konkret gegen Produktpiraterie vorgehen.

Markenschützerin Lita Silje Jänisch.
Markenschützerin Lita Silje Jänisch.

Frau Jänisch, kurz erklärt: Worum genau geht es in Ihrer täglichen Arbeit?

Ganz allgemein gesagt: Wir bei IP Enforcement identifizieren und verfolgen weltweit Verletzungen des geistigen Eigentums der Mercedes-Benz Group AG. Dabei geht es uns vor allem darum, Fälschungen von sicherheitsrelevanten Ersatz- und Serviceteilen aus dem Verkehr zu ziehen. Da steht für uns der Kundenschutz im Vordergrund. Wir ermitteln gegen Fälscher, spüren Plagiate auf, begleiten Razzien mit Zoll- und Strafverfolgungsbehörden. „Fälscher“ klingt dabei fast ein wenig harmlos, denn ganz häufig haben wir es mit organisierter Kriminalität und richtigen Fälschernetzwerken zu tun - Produktpiraterie ist sozusagen ein „Global Business“ mit extrem hohen Profiten.

Welche Entwicklungen haben Sie in den letzten Jahren beobachtet? Hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Generell beobachten wir schon seit einigen Jahren, dass der Online-Handel mit Produktfälschungen zunimmt. Aber ganz klar: Durch die Pandemie hat sich das noch einmal deutlich beschleunigt. Sie hat dazu geführt, dass die Zollbehörden und Gerichte ihre Arbeit zeitweise aussetzen mussten. Gleichzeitig haben die weltweite Produktion und der Handel mit Fälschungen, insbesondere über Online-Kanäle, neue Höhen erreicht.

Im Jahr 2020 haben wir über 138.000 Angebote mit Produktfälschungen offline gestellt! 2019 waren es noch knapp über 50.000. Dabei nehmen wir natürlich auch die großen Shopping-Events unter die Lupe, um möglichst viele Fälschungen auf einen Schlag aus dem Netz nehmen zu können. Wir behalten aber auch Social Media Plattformen und bestimmte Accounts und Domains im Auge. Dabei haben wir unterschiedlichste Produkte im Fokus und führen auch immer wieder Testkäufe durch. Da können schon mal mehrere Tausend fragliche Websites pro Woche zusammenkommen, die wir prüfen und gegebenenfalls löschen lassen.

„Wenn Plagiate in die Hände von Kundinnen und Kunden gelangen, kann das gerade bei sicherheitsrelevanten Teilen richtig gefährlich werden.“

Lita Silje Jänisch

Wie wollen Sie auch künftig dem wachsenden Online-Handel mit Plagiaten entgegentreten?

Indem wir unsere Aktivitäten im Bereich „Online IP Enforcement“ noch deutlich verstärken. Wir sehen nämlich gerade einen starken Trend in Richtung des Handels über Apps. Da geht’s dann nicht mehr um die bekannten etablierten Plattformen, sondern um kleine, schnellwachsende Netzwerke. Das ist sicherlich ein Thema, das uns in Zukunft noch stärker beschäftigen wird. Die Struktur dieser Geschäfte erfordert nochmal eine ganz andere Herangehensweise bei der Überprüfung. Denn solche Apps entstehen oft sehr kurzfristig und können dann extrem schnell hohe Nutzerzahlen generieren. Und da sie nicht wie ein normaler Online Shop für jeden öffentlich zugänglich sind, ist die Recherche hier für uns deutlich aufwendiger.

Wo sehen Sie denn die größten Probleme mit Produktfälschungen?

Da ist zuallererst der Sicherheitsaspekt: Wenn Plagiate in die Produkte von Kundinnen und Kunden geraten, kann das gerade bei sicherheitsrelevanten Teilen richtig gefährlich werden. Und das kann auch Produkte betreffen, von denen man das erst einmal gar nicht vermuten würde. Deswegen schützen wir mit unseren Maßnahmen nicht nur unsere Marken und sonstiges geistiges Eigentum der Mercedes-Benz Group AG, sondern insbesondere unsere Kunden. Aus Unternehmensperspektive entsteht durch Produktpiraten aber auch ein finanzieller Schaden. Letztes Jahr wurden über 1,7 Millionen gefälschte Mercedes-Benz-Produkte beschlagnahmt. Gleichzeitig können Plagiate natürlich auch unseren Ruf und unsere Marken schädigen, wenn sie nicht als solche erkannt werden, aber eben eine schlechtere Qualität als unsere Produkte aufweisen. Gefälschte Produkte richten aber auch noch weiteren Schaden an, denn Produktpiraten gehen mit hoher krimineller Energie vor und produzieren ihre Ware oft ohne Rücksicht auf Umweltstandards, Arbeitsschutz oder Menschenrechte.

Felgen nach Belastungstest: Original (links) und Fälschung (rechts).
Felgen nach Belastungstest: Original (links) und Fälschung (rechts).

Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie Produktpiraterie und Fälschungen die Sicherheit gefährden können?

Da fällt mir ein Fall aus dem Jahr 2021 ein. Ein Fahrer eines Mercedes-Benz Pkw war mit ca. 130 km/h unterwegs, als unvermittelt die Motorhaube aufsprang und die Windschutzscheibe zertrümmerte. Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt. Bei einer anschließenden Untersuchung zeigte sich, dass der Fahrer unseren Original-Kühlergrill durch einen im Internet bestellten, von einer Fremdfirma nachgemachten Grill ausgetauscht hatte. Der war technisch fehlerhaft gefertigt, so dass der Verschluss der Motorhaube beim Schließen nicht korrekt einschnappen konnte. Das zeigt, dass auch eher „dekorativ“ wirkende Fahrzeugteile sicherheitsrelevant sein können und man beim Ersatz von Originalteilen sehr vorsichtig sein muss. Um sicher zu gehen, sollte man den Austausch über einen autorisierten Mercedes-Benz Händler vornehmen lassen.

Welche Tipps können Sie Käuferinnen und Käufern denn geben, wie Fälschungen vermieden werden können?

Es ist nicht immer einfach, eine Fälschung auf den ersten Blick zu erkennen. Allerdings gibt es Anzeichen, die auf Fälschungen hinweisen können. Dazu gehört bei einem Online-Shop beispielsweise, dass der Verkäufer auffällig viele unterschiedliche Marken anbietet oder die Preise ungewöhnlich niedrig sind. Bei scheinbaren Schnäppchen im Internet oder auf Teilemärkten sollte man immer wachsam sein. Auch die Professionalität des Shops und die Bewertungen können Hinweise geben. Manchmal erkennt man sogar an den Produktbildern oder an den Bezeichnungen, dass es sich hier nicht um Original-Teile handeln kann. Und natürlich gibt es auch immer wieder die ganz ausgefallenen Fälschungen, zum Beispiel Produkte, die wir gar nicht herstellen. Da es am Ende immer um die eigene und die Sicherheit weiterer Verkehrsteilnehmer geht, kann ich – wie bereits gesagt – wiederholt nur empfehlen, sich an einen autorisierten Fachhändler zu wenden.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie sind Sie zu genau diesem Thema gekommen? Wie wird man Markenschützer bei Mercedes-Benz?

Ich habe Rechtswissenschaften in Konstanz, Hamburg und London studiert und danach in einer Kanzlei im Bereich Kartellrecht gearbeitet. Ich fand dabei immer besonders spannend, dass ich auch mit der Verbraucher-Sicht, unterschiedlichen Produkten beziehungsweise Märkten und dem Schutz von Innovationen zu tun hatte. Und genau das finde ich auch beim Gewerblichen Rechtsschutz so reizvoll. Es macht mich natürlich stolz, die DNA des Konzerns, allen voran die Marken „Mercedes-Benz“ und den „Dreizackstern-im-Ring“ jeden Tag verteidigen und den Fälschern das Geschäftsmodell vermiesen zu dürfen.

Das Auto mit den gefälschten Bremsbelägen (oben im Bild) hat einen deutlich längeren Bremsweg.
Das Auto mit den gefälschten Bremsbelägen (oben im Bild) hat einen deutlich längeren Bremsweg.
Bremsbeläge nach Belastungstest: Fälschung (links) und Original (rechts).
Bremsbeläge nach Belastungstest: Fälschung (links) und Original (rechts).
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Catharina Matthäus

arbeitet in der Unternehmenskommunikation von Mercedes-Benz und hat Lita Silje Jänisch für dieses Interview mit Fragen gelöchert. Seither betrachtet sie manches Schnäppchen noch genauer und ist angesichts des Einfallsreichtums von Fälschern froh, dass die Markenschützer so konsequent gegen Plagiate vorgehen.

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